bonner klimabeschluss: Wenig und doch grandios
Woran misst man sinnvoll den Erfolg eines Klimaprotokolls? Misst man ihn an den ökologischen Erfordernissen, dann ist die Bonner Entscheidung völlig unzulänglich. Um die globale Erwärmung zu begrenzen, müssten die Treibhausgase um etwa 60 Prozent bis zum Jahre 2050 reduziert werden – so hat es die Enquetekommission des Bundestages festgestellt. Eine Minderung des weltweiten Ausstoßes um ganze 2 Prozent bis 2010, wie nun in Bonn beschlossen, ist da kein Einstieg, sondern fast eine Kapitulation.
Kommentarvon MATTHIAS URBACH
Misst man das Bonner Ergebnis aber an den ursprünglichen Forderungen der Japaner und Kanadier, so ist es ein passabler Erfolg. Auch wenn die EU viel hergeben musste: Das Bonner Protokoll drückt, obgleich es einstimmig beschlossen werden musste, nicht bloß den kleinsten gemeinsamen Nenner aus. Die Bremserstaaten mussten mehr zugestehen, als sie wollten. Durch ihr geschicktes Auftreten holten Trittin und seine EU-Kollegen heraus, was herauszuholen war.
Misst man das Ergebnis an seiner Bedeutung für die zwischenstaatlichen Beziehungen, dann ist es ein grandioser Erfolg. Es ist kein Zufall, dass sich der iranische UN-Botschafter Baghir Asadi als Sprecher der Entwicklungsländer so konstruktiv verhalten hat – obwohl sein Land Erdöl exportiert. „Dies ist ein Sieg des Multilateralismus über den Unilateralismus“, erklärte Asadi stolz – und Recht hat er.
Denn die Entscheidung von Bonn ist nicht nur ein Umweltabkommen. Um die beschlossenen CO2-Reduktionen zu erreichen, sind tiefe ökonomische Veränderungen erforderlich – insofern handelt es sich fast um ein Wirtschaftsabkommen. Dass diese Kraftanstrengung gelang – gegen die Supermacht USA und obwohl sie der größte Klimasünder ist –, das grenzt an ein Wunder. Das ist die eigentliche Botschaft des Klimagipfels: Die Nationen können auch konstruktive Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung finden – eine Abfuhr für George Bush.
Der symbolische Gehalt ist auch in anderer Hinsicht entscheidend: Wäre Bonn gescheitert, hätte das auch die Förderung erneuerbarer Energien behindert. Das zeigt das Energiekonzept von Bush – mehr Öl, mehr Kohle, mehr Atommeiler.
Nein, die Erderwärmung lässt sich mit dem in Bonn vollendeten Kioto-Protokoll nicht aufhalten – aber doch spürbar mildern. Und das Konstrukt ist brauchbar genug, um es nach und nach zu verschärfen – spätestens wenn sich der Klimawandel deutlicher zeigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen