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Archiv-Artikel

bienchen hat ausgesummt von RALF SOTSCHECK

Gebt dem Engländer ein Tier, und er wird die passende Seuche dazu erfinden. Erst infizierte er hunderttausende Rinder mit BSE, dann schickte er den Überlebenden die Maul-und-Klauenseuche und erledigte als Zugabe gleich noch ein paar Millionen Schafe und Schweine. Aber auch kleinere Tiere können sich im Land des warmen Bieres keineswegs sicher fühlen. Vor ein paar Jahren waren die Frösche dran, rund 100.000 der nassen grünen Tiere gingen an einem heimtückischen Virus ein. Ihr Tod war qualvoll: Den Fröschen fielen die Beine ab, sie bluteten aus dem Mund und bekamen Hautgeschwüre.

Und nun die Honigbienen. Seit zwei Wochen breitet sich vom Südwesten Englands eine Milbe aus, die den Bienen so lange das Blut aussaugt, bis sie tot sind. 750 Bienenstöcke sind bisher befallen, und die „Varroa- Zerstörungsmilbe“, wie sie offiziell heißt, stößt unaufhaltsam nach Norden vor. Bald wird sie ihr Unwesen auf der ganzen Insel treiben. Das ist freilich nicht das erste Mal. Der Blut saugende Parasit fiel bereits 1992 über die meisten der 35.000 Bienenstöcke her. Mehr als fünf Milliarden Bienen, die Hälfte des britischen Bestandes, raffte es dahin. Da der Engländer seine Tierseuchen gerne mit anderen Ländern teilt, schickte er die Varroa um die Welt und dezimierte die Honigbienen auf dem Planeten um ein Viertel.

Doch dann entwickelte ein Pharmakonzern ein chemisches Mittel gegen die gemeine Milbe, und so musste man sich auf der Insel etwas Neues einfallen lassen. Jetzt ist es so weit: Varroa ist zurück in England, und diesmal ist sie besser gewappnet. Sie ist ein wenig mutiert, sodass ihr die Chemie nichts mehr anhaben kann. Viele Bienenzüchter haben entnervt das Handtuch geworfen

Für die meisten ist es ohnehin nur ein Hobby. Die Bienenzucht wird in England von älteren Herren mit Tweedmützen und Sherlock-Holmes-Pfeifen betrieben. Der Verband ist wie ein Geheimbund organisiert, die Mitglieder sind scheu, als ob sie einem perversen Hobby frönen. Keiner gibt freiwillig seinen Namen preis, schon gar nicht, wenn seine Kolonie von Milben befallen ist. Es könnte ja ein Hinweis auf mangelnde Hygiene der Bienen und ihres Züchters sein.

Die britische Regierung hat extra einen Bieneninspektor eingestellt, der die Verbreitung der resistenten Varroa beobachten soll. Er hat es nicht leicht. „Es gibt eine Menge verschwiegener Bienenzüchter“, sagt Inspektor Richard Ball, „die uns den Milbenbefall verheimlichen.“ Die Regierung ist weniger an der Rettung der Honigindustrie interessiert, da sie nur 15 Millionen Pfund im Jahr abwirft. Aber die Bienen sind für die Bestäubung zuständig, die Tiere kommen viel herum: Mit einem Liter Honig als Antrieb für ihre vier Flügel schaffen sie fast zweieinhalb Millionen Kilometer.

Daran sollte sich die Autoindustrie ein Beispiel nehmen. Ohne Honigbienen würde fast die Hälfte der britischen Ernte ausfallen, und die ist immerhin sieben Milliarden Pfund im Jahr wert. Muss der Engländer nun verhungern? Das wäre zumindest sein Meisterstück in Sachen Seuche.