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■ betr.: „Bosnien wird zum Grab der UNO“, taz vom 21. 7. 95

Immer wieder muß ich mir von der taz erzählen lassen, daß ich mit meinem Friedensengagement falsch liege. Und da ich, anders als viele 68er und ehemals Friedensbewegte, von meinem Pazifismus nicht lassen kann, plage ich mich durchaus mit der Frage herum, ob ich nicht doch verbohrt bin und Fakten übersehen habe.

Wenn ich in Ihrem Kommentar lese, daß „auch die deutschen Pazifisten“ mit der „übernommenen Verantwortung“ fertig werden müssen, den Aggressor durch die „Politik der Beschwichtigung“ „nur ermuntert – nicht aufgehalten“ zu haben, so lehne ich diese Verantwortung schlicht ab. Die friedensbewegten Menschen, die ich kenne, waren nie für eine Politik der Beschwichtigung. Wir waren auch nie dafür, daß unsere Regierung sich höchst aktiv an der Entfachung des Krieges beteiligte. Wir sind allerdings immer und überall dafür eingetreten, keine Waffen zu liefern, ja, sie gar nicht erst zu produzieren. Zu gern hätten wir gesehen, wenn unsere Regierung echte Verantwortung übernommen hätte und als ehrlicher Vermittler aufgetreten wäre, statt die Anerkennung Kroatiens zu erzwingen. Zu gern hätten wir erlebt, daß Deutschland sich machtvoll für ein Waffenembargo eingesetzt hätte und daß alle Nachbarländer Jugoslawiens die Grenzen für jegliche Waffen wirklich dicht gemacht hätten.

Das Elend ist doch nicht durch ein Waffenembargo entstanden, auch nicht durch Vermittlungsversuche. Der Krieg konnte und kann nur geführt werden, weil Waffen immer und überall durchkommen, während wir unsere Grenzen dicht machen für Menschen, die dem Morden entkommen wollen. Das Morden geht weiter, weil zum Beispiel auch unser Land bereit ist, das Tausendfache dessen, was man für die Menschen in Srebrenica übrig hat, für einen Militäreinsatz auszugeben. Selbst ehemalige Friedensleute, lese ich in der taz, scheuen sich nicht, Waffen und Bombeneinsätze zu fordern, statt sich mit allen Kräften gegen die Mordmaschinerie zu wenden.

Was kann die Aufhebung des Waffenembargos bewirken als noch mehr Waffeneinsätze? Was können Tornados anderes tun als zerstören? Was hat der Militäreinsatz am Golf gebracht als Zerstörung und Tod? Der Aggressor, dem Einhalt geboten werden sollte, steht gefestigter da als zuvor. Die Menschen dort aber sterben heute noch. Was hat die militärische Hilfe in Somalia gebracht?

„Süß scheint der Krieg den Unerfahrenen“, wußte schon Erasmus von Rotterdam. Schade, daß solche Unerfahrenen noch immer das Sagen haben. Schlimm, daß auf die Stimmen der Erfahrenen, zu denen ich heute mehr denn je die Pazifisten zähle, nicht gehört wird. Wenn wir wirklich helfen wollten, gäbe es auch heute noch viele Möglichkeiten. Nur Waffen können nicht helfen. Irmgard Jasker, Wedel

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