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Archiv-Artikel

besuch von onkel günter von CHRISTIANE BEECK

Onkel Günter aus Stuttgart ist zu Besuch, denn seine Schwägerin feiert ihren 70. Geburtstag. Klarer Fall für Onkel Günter, dass er gekommen ist. Nach Berlin, obwohl es ja hier immer, wie er findet, etwas schmuddelig ist.

Im Schöneberger Restaurant bemerkt er gleich, wie ordentlich alles ist und dass keiner herumpöbelt oder eines dieser Straßenmagazine verkauft. Onkel Günter, so viel ist nach einem Tag Berlin sicher, kommt bestimmt wieder, und man weiß noch nicht genau, ob man sich darüber freuen soll.

Daheim im Festtagsstübchen verzückt Onkel Günter mit detaillierten Schilderungen über das Schnäppchen-Dasein eines Rentners im Schwabenländle. Seine große Leidenschaft sind Brotback- und Kaffeemaschinen, in allen möglichen Ausführungen. Platz hat er nicht mehr in der Küche, aber die meisten stehen originalverpackt im Keller.

Seine neueste Errungenschaft ist eine Brotmaschine, die alles, so versichert er, selbst macht. Man müsse nur die Zutaten hineinschütten. Sie rührt, formt, backt ganz allein, und wir sind uns sicher, dass sie noch einiges mehr kann, würde man es ihr abverlangen. Vielleicht Geschirrspülen.

Einen Haken oder genauer zwei hat Onkel Günters Erwerbung allerdings, und das ist auch der Grund, warum er sein Brot wieder beim Bäcker kauft, sich alles in Scheiben schneiden lässt, schockfrostet und später in seiner Mikrowelle antaut. Die Knethaken stecken stets im fertig gebackenen Brotlaib fest. Entweder man serviert das Brot mit Knethaken, oder aber man bricht das Frischgebackene in lauter Einzelteile. Für Onkel Günter kommt beides nicht in Frage, also steht die Brotbackmaschine jetzt als Staubfänger im Regal.

Seine zahlreichen Kaffeemaschinen hingegen machen keinerlei Scherereien. Nur ist Onkel Günters Blutdruck viel zu hoch. Er kocht sich morgens mit seiner Turbo-Kaffeemaschine zehn Tassen Kaffee, trinkt davon vier. Am Nachmittag benutzt er die Cappuccino-Maschine. Die zwei Tassen trinkt er auch leer. Und dann die sechs Tassen vom Vormittag, die müssen auch noch gegluckert werden, denn wegschütten mag unser Jahrgang 1931 schon mal gar nichts. Dann lieber zu hoher Blutdruck.

Um Onkel Günter abzulenken, erzähle ich, dass in Berlin mehr Ratten als Menschen leben. Onkel Günter schwenkt problemlos um. Besser sei es ja, wenn man in der Hauptstadt einen schweren Klodeckel habe, denn den kriegen die Ratten nicht so leicht hoch. Überhaupt, Parasiten. Er hatte mal ernsthaft Probleme mit der mazedonischen Getreidemotte. Die habe ihm alle Klamotten zerfressen. Onkel Günter hat sich daraufhin als Kammerjäger betätigt und mit fünf (!) Dosen Paral seine Butze ausgeräuchert – seitdem hat er keine Probleme mehr mit den Motten, dafür aber mit den Bronchien.

Frische Luft muss her und die Geschichte von einer Kutschfahrt in den Bergen mit einem betrunkenen Kutscher, der während der Fahrt eigenmächtig die Route ändern wollte und schließlich etwas ungehalten wurde. Gut, dass so etwas Onkel Günter niemals passieren kann. „Dem hätte ich mit meiner 38er in den Kopf geschossen“, lautet sein Kommentar. Nein, über den nächsten Besuch von Onkel Günter wird man sich nicht freuen.