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Überwachung linker AbgeordneterMehr als nur beobachtet

Die Linke soll nur beobachtet, nicht überwacht worden sein, sagte Innenminister Friedrich (CSU). Doch nun widerspricht ihm der Chef eines Landes-Verfassungsschutzes.

Sagt, er kenne einen V-Mann: Fraktionschef Bodo Ramelow. Bild: dapd

HAMBURG afp/dapd | Angesichts der Beobachtung von Abgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz hat Parteichef Klaus Ernst das Innenministerium zu umfassender Aufklärung aufgefordert. Wenn dies nicht schnell genug und umfassend erfolge, behalte sich die Partei "weitere Schritte der parlamentarischen Aufklärung" vor, sagte Ernst dem Hamburger Abendblatt.

Dazu zähle auch die Option, einen Geheimdienst-Untersuchungsausschuss einzurichten. "Wir müssen die Demokratie vor den Geheimdiensten schützen", fügte er hinzu.Am Dienstag hatte der Spiegel Online die Liste der beobachteten Linke-Politiker veröffentlicht. Unter ihnen waren vor allem Politiker des Reformerflügels wie Gregor Gysi, Katja Kipping oder die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.

Der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, bestätigte im Radio Bremen-Interview, dass Abgeordnete der Partei Die Linke in Niedersachsen auch mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden. Damit widersprach er Bundesinnenminister Friedrich.

Dieser hatte zuletzt erklärt, die Abgeordneten würden nur durch die Auswertung von Reden und öffentlich zugänglichen Schriften beobachtet - und nicht mit geheimdienstlichen Mitteln. Laut Wargel hält der niedersächsische Verfassungsschutz die Linke in bestimmten Teilen für verfassungsfeindlich. Insofern sei es erforderlich, die Partei zu überwachen.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, bezweifelt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Partei Die Linke keine V-Leute oder verdeckte Ermittler einsetzt. Der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung sagte Ramelow, ihm habe sich 2006 ein ihm seit längerem bekannter Mann mit den Worten vorgestellt, er sei als V-Mann tätig. Dieser Mann habe sich ihm offenbar aus Furcht offenbart, entdeckt zu werden.

Ramelow erklärte zudem: "Die vom Verfassungsschutz geschwärzten Akten deuten daraufhin, dass dieses Amt genügend zu verbergen hat." Mehrere führende Politiker der Linkspartei wie der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi und Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau hatten vom Bundesamt für Verfassungsschutz geschwärzte Akten erhalten.

Die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, warf Friedrich unterdessen vor, Politiker der Linkspartei aus taktischen Gründen vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Linke-Wähler sollten mit der Beobachtung verunsichert werden, hielt sie dem CSU-Politiker am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin" vor. Friedrich sei dabei, "mit dem Holzhammer unsere Verfassung zu zertrümmern", sagte Lötzsch. Seine Argumente seien unter der geistigen Armutsgrenze.

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13 Kommentare

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  • N
    nva

    Nun ist es endlich raus, die Politik der Bundes-republik Deutschland ist erheblich rechtslastig.

    Nur weiter so, dann haben wir bald wieder die braune Pest mit all den Folgen in Deutschland.

  • WR
    Weiße Rose

    @Cornel

     

    Beruhigungsmittel erhalten Sie in Ihrer Apotheke!

  • VL
    vergessene Liebe

    ...Jaa Jaaa ! Versuche ich... die Geschichte "zurückzuverfolgen": Der VFS der BRD hatte Begründungen im "kalten Krieg und der DDR"- Der STASi der ex-DDR hatte Begründungen im "kalten Krieg" und in der Existenz der BRD (und des VFS)... STASi und VFS bedingten einander.... Der STASi ist nun verschwunden... Und der VFS "sollte" auch abgewickelt werden ! Und die "neue" Bundespolizei sollte entsprechend- Länderübergreifend - neustrukturiert werden und historische Ideologische Polarisierungen strikt vermeiden, damit solche Idioten, wie NSU- als offensichtlich begünstigt durch den VFS- etc. garnicht erst zum zuge kommen! VFS ist irgendwie sichtbar als art "Schutzinstitution" für neoliberale usw. rechte Interessen in BRD, und wirkt sehr verfehlt, die Idee und Substanz des GG zu schützen!

  • C
    Cornel

    Mich erschüttert geradezu der geringe intellektuelle Tiefgang der Kommentare hier!

     

    Was mich erstaunt: dass viele die ernste Frage, ob einzelne Abgeordnete der PDS/Die LInke vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen und in welchem Ausmaß dies gesetzeskonform ist als Anlaß zu Verbalinjurien und Diffamierung Politiker anderer Parteien nutzen!

     

    Was ich beschämend finde: kein einziger der Kommentatoren hier fragte einmal in seinem Kommentar, wieso der Verfassungsschutz zu nachrichtendienstlichen Mitteln gegriffen hat, um Abgeordnete zu überprüfen/überwachen!

     

    Was ich als für die TAZ ziemlich desavouierend einschätzte, wenn mein Kommentar nicht veröffentlicht würde, weil nicht links genug!

  • W
    Webmarxist

    Der CSU- Übervater Franz-Josef Strauß hat mal gesagt, dass es rechts neben der CSU keine Partei geben darf. Der jetzige Bundesinnenminister Friedrich läßt die politische Gegenseite, also die Linkspartei überwachen, von der keine Gefahr für die Demokratie ausgeht. Anstatt ein Auge auf die NPD zu werfen, die ja rechts von der CSU steht.

  • B
    Buhmann

    Wer es mit der Verfassung nicht so genau nimmt, sind wohl die lang Etablierten selber. Die meisten Hartz IV Bestimmungen verstoßen gegen die Verfassung. Die Banken verstoßen gegen die Verfassung (Eigentum verpflichtet). Viele Nebeneinkünfte der Politiker sind mit der Verfassung nicht vereinbar. Und überhaupt, eine demokratisch gewählte Partei zu bespitzeln verstößt gegen die Verfassung. Und noch etwas: Die Banken verdienen an der Hungersnot-, darum sollten sich die politischen Saubermänner mal kümmern. (Wenn das nicht allein schon gegen die Menschenrechte verstößt(!)

  • EH
    Erich Honecker

    Typisch Kindergarten Deutschland. Ich wäre dafür das Volk muss den Verfassungschutz überwachen kann nicht sein das diese Möchtegerner machen was sie wollen.

  • F
    Facepalm

    ...sagte Lötzsch. Seine Argumente seien unter der geistigen Armutsgrenze.

     

    "Vasa vacua maxime sonant" trifft es da wohl am ehesten :D

  • C
    Celsus

    Da hatte also ein Bundesinnenminister wohl aus purem Kalkül die Öffentlichkeit falsch informiert. Da wurde also doch mehr als nur beobachtet, was an Schwärzungen bei einer Akteneinsicht sichtbar geworden sein dürfte.

     

    Das Spicken der Öffentlichkeit mit Unwahrheiten, um geheim etwas weiterhin betreiben zu können, was die Mehrheit nicht will, ist allerdings zutiefst undemokratisch. Die erforderliche persönliche Integrität für das Amt besitzt dieser Innenminister dem Anschein nach nicht. Seine politische Angeschlagenheit und moralische Fragwürdigkeit könnte unterstrichen werden, wenn die CDU-Kanzlerin, wie jetzt schon ständige Übung, sich mal wieder hinter einen solchen Spitzenmann stellt.

  • DB
    Dehr Bürger

    Es ist erstaunlich, da wird jahrelang schlechte Arbeit geleistet und keinen kümmers. Die Vorurteile des kalten Krieges scheinen resistenter zu sein als Grippeviren. Wieviele Überfälle wurden in der Beobachtungszeit von der "Linken" denn beobachtet?

    Wieviele Morde wurden vom Verfassungsschutz in dieser Zeit dokumentiert?

     

    Wie lange wird man noch Geld ausgeben um festzustellen, dass keine verfassungsfeindliche Aktivitäten feststellbar sind?

     

    Würden Politiker der CDU oder CSU und der FDP eine gleiche Behandlung erfahren, wäre die Empörung weitaus größer, aber bei sogenanten Komunisten brauch man nicht so zimperlich zu sein.

     

    In der Finanzwelt denkt mittlerweile auch laut über eine neue Form jenseits des Kapitalismus nach - eine neue Herausforderung für den Verfassungsschutz.

  • R
    Reiner

    Geheimdienstliche Methoden sind auch Infiltration, Agent Provokateur etc. Stellt sich nur die Frage, wer hier die Wahrheit sagt und spricht?

    Nach den schleppenden Ermittlungen rund ums Thüringer Terror-Trio erwarte ich (fast keine) Aufklärung. Denn freiwillig rücken sie nicht mit den Infos raus.

     

    P.S. Außerdem müssten sie ja wohl auch die SPD beobachten, schließlich ist dort ein prominenter Rechtsextremer - Thilo Sarrazin - zu huase.

  • W
    Weinberg

    Bundesinnenminister Friedrich (CSU) und der der Chef des Inlandsgeheimdienstes Fromm (SPD) sind ein wirklich tolles Team. Beide passen zusammen wie die Faust aufs Auge.

     

    Bei dem SPD-Mann Fromm, der in Hessen zuletzt Leiter der Justizvollzugsanstalt Kassel war, handelt es sich wahrlich um keine Lichtgestalt. Zuvor war er als Staatssekretär (von Hänschen Eichels Gnaden) im hessischen Innenministerium tätig, wo er sich als farbloser Bürokrat auszeichnete. Jetzt macht er als "Verfassungsschützer" den Noske!

     

    Zu dem immer noch im Kalten Krieg lebenden CSU-Friedrich erübrigt sich jeder Kommentar.

  • WR
    Weiße Rose

    Die NPD ist doch quasi "nur" der unappetitliche Arm der CSU. Schon der letzte Bayern Kaiser Franz-Josef Strauß(CSU)zeigte allen ganz ungeniert seine Sympathien: Vom rassistischen Apartheidsstaat Südafrika bis zum Faschistenstaat Chile unter Diktator Pinochet war dem übermächtigen CSU-Idol jede Schweinerei recht und seiner Unterstützung sicher!

    Wie soll es da noch verwundern, was der Kleingeist Friedrich unter dem Portrait seines großen Führers gegen die Linke ausheckt?