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Archiv-Artikel

berlin–posen Eine schwierige Geschichte

In einer Umfrage der Zeitschrift Geo Special kam vor kurzem Erstaunliches zutage. Von allen neun Nachbarländern der Deutschen hatten die Polen das schlechteste Image. In Polen verhielt es sich genau umgekehrt. Hier nahmen die Deutschen den Spitzenplatz in der Beliebtheitsskala ein. Einzige Ausnahme: die Woiwodschaft Wielkopolski, Großpolen mit ihrer Hauptstadt und Metropole Poznań/Posen.

Eine Überraschung?

Nein, wenn man auf die schwierige Geschichte von Posen zurückschaut. Seit der Krönung des Piastenherzogs Bolesław Chrobry durch den deutschen Kaiser Otto III. im Jahre 1000 in Gnesen stand das 50 Kilometer entfernte Posen an der Schnittstelle zwischen Polen und Deutschen. Bis zum 18. Jahrhundert war diese Beziehung allerdings friedlich. In der polnischen Stadt war fast ein Drittel der Bewohner deutscher Abstammung.

Doch dann kamen die Teilungen Polens, in deren Folge Posen 1793 preußisch wurde. Nach zahlreichen Aufständen folgte eine Politik der Germanisierung, die schließlich in die Bismarck’sche Politik des Kulturkampfs mündete. Es waren Erfahrungen wie diese, die den Historiker und Leiter des Instytut Zachodni (Westinstitut) in Poznań nach dem Zweiten Weltkrieg zum Urteil verleiteten, die 1.000 Jahre deutsch-polnischer Geschichte sei eine Geschichte von Konflikten.

Daran hatten aber auch die Polen ihren Anteil. Nachdem Posen nach dem Versailler Vertrag 1918 wieder polnisch wurde, wurde aus dem deutschen Vorposten im Osten ein polnischer Vorposten im Westen – und auf die Germanisierungs- folgte die Polonisierungspolitik. Der Einmarsch der Nazis in Posen wurde wiederum von vielen Deutschen mit Jubel begrüßt. Für die polnische Bevölkerung des seit ehedem ethnisch gemischten Posener Landes bedeutete das Vertreibung ins Generalgouvernement, Zwangsarbeit und oft auch Ermordung. Nach 1945 schlug das Pendel zurück. Aus Posen, der Stadt, in der die Hohenzollern ihr letztes Schloss gebaut hatten, wurde Poznań, eine nicht nur politisch, sondern auch ethnisch polnische Stadt.

Das Ergebnis der Geo-Umfrage erstaunt also nicht. Anders als Niederschlesien oder Ostpreußen, die schon immer weitgehend deutsch waren, war das Posener Land wie Oberschlesien umkämpftes Land. Hier war die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte der vergangenen 200 Jahre tatsächlich Konfliktgeschichte.

Umso erstaunlicher ist es, wie reibungslos die Beziehung Berlin– Posen in ihre europäische Epoche getreten ist. Der Motor dafür war zweifelsohne die Wirtschaft. Berlin und Posen, das sind zwei Wirtschaftszentren westlich und östlich der Oder, deren Bedeutung für die deutsch-polnische Verständigung nicht unterschätzt werden darf. Vor allem dann nicht, wenn, wie im Falle von Posen, der wirtschaftliche Boom auch dem kulturellen Leben der Stadt zugute kam.

Dieses kulturelle Leben freilich harrt noch seiner Entdeckung durch die Berliner. Warum nicht zum Opernbesuch ins Teatr Wielki oder zum größten Open-Air-Theaterfest an den Maltasee? Ein Anfang ist immerhin gemacht: Von den 400.000 Touristen, die jährlich nach Posen fahren, kommen 65 Prozent aus Deutschland. Und auch die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte wird heute nicht selten mit Humor kommentiert. Wir Posener, hört man immer wieder, sind die Preußen unter den Polen. Und so fiel auch das Referendum zum polnischen EU-Beitritt pflichtbewusst aus. Im Gegensatz zum Umland stimmten in der 500.000-Einwohner-Stadt 85 Prozent mit Ja. UWE RADA