berlinmusik: Rollende Rhythmen
Das Schöne an der Gegenwart ist ja, allen schlechten Nachrichten im Allgemeinen zum Trotz, dass Musiker sich mehr trauen, einfach die Dinge zu tun, die ihnen gefallen, ohne sie in bestimmte Schubladen zu stecken. Wobei man diesen Satz sofort korrigieren muss: Musiker, die ihr Geld wert sind, waren immer schon bereit und geneigt, einfach die Dinge zu tun, die ihnen gefallen, ohne sie in bestimmte Schubladen zu stecken.
Für die Schubladen waren eher so böse Menschen zuständig wie Labelmanager, PR-Profis und, am allerschlimmsten, die Musikkritiker. Die wollen ja immer bloß Dinge in Kategorien wegsortieren wie Sachbearbeiter ihre Formulare in Aktenordner. Jetzt, wo Labels oft von Musikern betrieben werden und sowohl PR-Agenturen als auch Musikmagazine zu kämpfen haben, gelten andere Regeln. Übertrieben, aber nicht völlig falsch.
Tatsächlich ist es in der Musik ein bisschen aus der Mode gekommen, die Dinge unter Überschriften zu packen. Dafür muss man sich beim Schreiben verstärkt auf das konzentrieren, was man hört. Bei Saroos, dem Berlin-Münchener Trio von Florian Zimmer, Christoph Brandner und Max Punktezahl, hört man auf ihrem jüngsten Album „OLU“ eine ganze Menge. Gitarre, Elektronik und Schlagzeug allemal, und dieses Instrumentarium handhaben sie einerseits sehr frei, andererseits mit höchst kontrolliertem Strukturwillen.
Wiederholung und Anarchie sind die Grundpfeiler dieser meist gesangsfreien Grooves, die stets um ein klares Zentrum kreisen, zugleich aber bei so ziemlich jeder sich bietenden Gelegenheit in diverse Richtungen ausbrechen, mit Klang, Melodie und Rhythmus Seitenwege beschreiten, oder sich in ihrer Repetition wandeln.
Der Neigung zum Monotonen, rhythmisch Rollenden wegen nannte man die Musik von Saroos in den bösen alten Zeiten mal Post-Rock. Rock, der nicht rockt und seine reduzierten Gesten am ehesten dem Krautrock abgelauscht hat. Das ist bei Saroos auch heute nicht völlig anders. Trotzdem beschleicht einen beim Hören das Gefühl, dass diese Worte wenig helfen. Besser, man vertieft sich in die Schichten dieser so übersichtlichen wie dichten Nummern. Sie nehmen einen freundlich bei der Hand, auf eine Reise, die niemals langweilt.
Tim Caspar Boehme
Saroos: „OLU“ (Alien Transistor)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen