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berlinmusikWarmes Nest

Und auf einmal wird es ziemlich still. Nur ein Synthesizer pluckert eine unaufdringliche Tonfolge vor sich hin, dann setzt die helle, klare Stimme Jana Sotzkos ein, die zunächst nur die folgenden Verse wiederholt: „Floating / in pieces / down here and / all across the dry land.“ Die Gitarre stößt mit wenigen, pointierten Akkorden dazu, ein langsamer Groove entsteht, aus der Songskizze wird ein Lied. „Sepia“ heißt der Track, der zu einer fünfminütigen, elegischen Elek­tro­pop-Wohltat heranwächst, und dieses zweite Stück des Albums „Drift“ streicht bereits gut die kompositorischen Qualitäten Sotzkos heraus: Die Multiinstrumentalistin bastelt aus Songskizzen kleine, scheinbar unspektakuläre Stücke, die sowohl im Lauf der Songs, als auch bei mehrmaligen Hören wachsen und wachsen und wachsen – und Knospen treiben.

Jana Sotzko ist in der deutschen Indie-Szene alles andere als unbekannt, sie spielt seit langer Zeit in der Postrock-Band The Dropout Patrol und seit nicht ganz so langer Zeit bei den gnadenlos guten Kraut-Pop-Boys’n’Girls Soft Grid; auch als Autorin (testcard, Jungle World etc.) kennt man sie. Ihr Soloprojekt nennt sie nun Point No Point, benannt nach einem Flecken Erde im Bundesstaat Washington, an den man sofort auswandern möchte, wenn man ihn erst einmal gegoogelt hat (allein schon wegen der schönen Postanschrift und des Ausblicks).

Wenn man dann aber „Drift“ durchhört, ist das immerhin so wie imaginäres Auswandern. Zum Beispiel führt uns Sotzko in „No Filter Island“ auf einen stürmische Insel, sie fängt einen dabei stimmungsmäßig voll ein – die Brise, die Küste, die Kälte, der Wunsch nach Wärme und Geborgenheit –, ihr gelingt ein ziemlich perfekter Pop-Song inklusive catchy Hookline („I crawl into your warm nest to rest, to hibernate / no filter island“). In Songs wie diesem kommt einem ihre Musikerkollegin Masha Qrella als Referenz in den Sinn, bei anderen Stücken fühlt man sich an Qualitäts-Elektropop aus Weilheim (Lali Puna zum Beispiel) erinnert oder auch an die kanadischen Alt-Indie-Helden The Weakerthans plus Beats. „Drift“ ist ein feines Album mit vielen Ups und ohne Downs; die sechs Songs passen mit ihrer latenten Grundtraurigkeit (ohne dabei zu depri zu sein) auch hervorragend in die Jahreszeit gerade. Jens Uthoff

Point No Point: „Drift“ (Späti Palace/Morr Music)

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