piwik no script img

berlinmusikBier für die Mitte

Mehr klugen Synthie-Pop braucht das Land! Dessen war sich der Berliner Musiker Stephan Mensger wohl bewusst, als er vor fünf Jahren sein Soloprojekt Freispiel ins Leben rief. Unter seinem Alter Ego hat er bis dato drei Alben veröffentlicht, die in einer Tradition von deutschsprachigem Postpunk à la Fehlfarben stehen. Mit der Single/EP „Die Goldene Mitte“ erscheinen nun fünf neue Freispiel-Stücke, musikalisch sind sie einmal mehr eine recht vielseitige Angelegenheit: von The-Cure-Anleihen („Die Goldene Mitte“) über Dada-No-Wave („Tedeschi“) und Weirdo-Synthie-Gefrickel („Querschlägerei“) bis hin zu Prog-/Krautrockigem („Drehwurm“) klingen jede Menge Stile an. Als politisches Statement ragt der Titelsong heraus, intelligent verhandelt Mensger darin, dass es angesichts der Radikalisierung der Mitte eine neue Mitte brauche: „Große Töne in Social Media / Aufmarsch der Egos / Blablabla / Wir werden tanzen, nicht marschieren / Wir werden revolutionieren / Freie Geister, leichte Schritte / Wir sind die goldene Mitte“, singt er in dem Stück, und einen Seitenhieb auf die mitunter irre gelaufene Identitätspolitik unserer Zeit baut er auch noch ein: „Identität als Sinn und Ziel / wo bleiben da Humor und Stil“, fragt er sich. Ja, wo eigentlich?

Vielleicht bei der Band Heavy Metal, die in diesen Tagen ein neues Album als Tape und Download veröffentlicht – denn dort scheinen Humor und Stil definitiv vorhanden zu sein. Heavy Metal spielen natürlich keinen Heavy Metal, sie sind zwischen Synthpunk, Garagepunk, Experimental und HipHop anzusiedeln. Beteiligt ist unter anderem der umtriebige Künstler und Performer Robert Pawliczek (der auch bei Muscle Barbie, ButterTube, Sick Horse und vielen weiteren Projekten mitwirkt). Auf „LP 4“ stellen Heavy Metal gleich mal fest, dass sechs Bier manchmal genügen, um einen Song zu schreiben („6 Bergadler and a microphone“); sie erkennen, dass sie Devo, Gang Of Four und Sonnenschein eher mögen („Sonnenschein Übermensch“), dagegen Golf-Clubs eher fragwürdig finden („MF Golf“). Immer wieder klingt auch der Anarcho-Geist der Beastie Boys an, zum Beispiel in „Sick Note“. Ein gewisser sicker Humor zeigt sich auch in den Samples vor den Stücken. Feines Gerät. Jens Uthoff

Freispiel: „Die Goldene Mitte“ (Fidel Bastro/Broken Silence) | Heavy Metal: „LP 4“, Kassette/Download (Static Shock)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen