piwik no script img

berlinmusikSchrumm, schramm

Das Wirken der bis vor einigen Jahren noch praktisch unbekannten Komponistin Catherine Christer Hennix macht immer wieder staunen. Vor allem, weil immer mehr Material von dieser Expertin für Minimal Music, Drone und reine Stimmung aus Archiven auftaucht, das nach und nach veröffentlicht wird. Anscheinend musste die Welt warten, bis sie so weit war, sich für diese recht ungewöhnliche Künstlerin zu interessieren.

Ungewöhnlich nicht allein wegen der Konsequenz, mit der Hennix ihren Weg gegangen ist, aller früheren Missachtung zum Trotz. Sondern auch wegen der Stationen, die sie, als es mit der Musik nicht so ganz vorangehen wollte, notgedrungen einlegte. So arbeitete Hennix, bevor sie nach Berlin kam, unter anderem in den USA als Computerwissenschaftlerin an der State University of New York und am MIT. In islamischer Theologie kennt sie sich ebenfalls gut aus. Und in Lacan’scher Psychoanalyse.

Aktuell ist eine Aufnahme ihres Ensembles The Deontic Miracle erschienen. Vom einzigen Konzert, das dieses Trio je gespielt hat. Das war 1976 im Moderna Museet in Stockholm. Ein anderer Konzertausschnitt dieser in Hennix’ eigenen Worten „am stärksten abgelehnten Band, die je in Schweden gegründet wurde“, erschien vor drei Jahren unter dem Titel „Central Palace Music“.

Mit von der Partie waren neben Hennix auch ihr Bruder Peter Hennix und der schwedische Musiker Hans Isgren. Letzterer spielte die sheng, eine chinesische Mundorgel, beide Hennixe sind an der Schalmei zu hören. Alle Instrumente sind elektrisch verstärkt, Catherine Christer Hennix spielte zudem Live-Elektronik und Sinuswellengeneratoren.

Die Titel der zwei jeweils zwei Plattenseiten langen Stücke lauten „Music of Auspicious Clouds“ und „Waves of the Blue Sea“. Die Drones der drei Spieler reiben sich in immer neu anbrandenden Wellen, blau oder nicht, aneinander, Obertöne schäumen wie Gischtkronen, wenn die Frequenzen wieder eine kritische Schwelle erreicht haben. Eine Entwicklung lässt sich nicht erkennen, es ist ein bisschen so, wie wenn man leicht hypnotisiert auf die regelmäßigen, doch nie identischen Brecher am Strand starrt. Schönheit von ihrer eher rauen Seite, dabei zugleich sehr gelassen.

Tim Caspar Boehme

The Deontic Miracle: „Selections from 100 Models of Hegikan Roku“ (Empty Editions/Blank Form Editions)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen