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berlinmusikZweierlei Australier

Ausgeschlafen. Weitläufig. Schlendernd. Zum Schaffen des australischen Trios The Necks ließe sich eine ganze Reihe von Adjektiven finden, die alle irgendwie stimmen. Was mit einer gewissen Grundhaltung der zumindest zum Teil als Wahlberliner aktiven Musiker zu tun haben dürfte: Sie lieben die lange Form.

Fast immer bestehen ihre Alben aus einem langen Stück, das auf eine CD passt. Fast immer beginnen der Schlagzeuger Tony Buck, der Pianist Chris Abrahams und der Bassist Lloyd Swanton mit Tönen wie aus dem Nichts, strecken diese nach und nach zu spinnwebartigen Fäden, aus denen ein immer komplexeres Gebilde erwächst, und dann verschwinden sie wieder irgendwohin. Nicht ins Nichts, denn ihre Klänge werden bis dahin genügend Spuren im Raum hinterlassen haben. Doch irgendwann müssen eben auch sie zu einem Ende kommen.

„Body“, ihre zwanzigste Veröffentlichung, weicht von der Necks’schen Formel des von Anfang bis Ende eingeschlagenen Kurses ab, wechselt mehrmals die Richtung. Auf halber Strecke kommt es gar zu einem für Necks-Verhältnisse schroffen Umbruch, von einer sanft treibenden Bewegung, in der Orgelklänge dominieren, zu einem krautrockhaft rollenden Teil, mit hämmernden Klavierakkorden, achtelbetontem Schlagzeug und schrammender Gitarre, von Buck beigesteuert. Monolithisch auch das. Die Teile dieses Körpers erschließen sich dabei bestens. Und in aller Ruhe.

Die gleichfalls aus Australien stammende Gitarristin Julia Reidy, in Berlin wohnhaft, konzentriert sich ebenso auf einzelne Stimmungen. Während ihre älteren Landsmänner von The Necks stets tiefenentspannt zu Werke gehen, verdichtet Reidy ihre Stücke insbesondere mit ihrem virtuos flirrenden Gitarrenspiel, verleiht ihnen einen fiebernd-nervösen Gestus.

Zu ihrer Gitarre kommen auf der Kassette „Beholder“ diesmal Field Recordings und ein digitaler Synthesizer hinzu. Folkloristisch gezupfte Elemente, die allerdings nichts von Heimeligkeit vermitteln, werden zu insistierenden Repetitionsfiguren, die gegen mysteriöse Hindernisse anrennen. Eine Versenkung ohne Versprechen auf Erlösung.

Tim Caspar Boehme

The Necks: „Body“ (Fish of Milk/ReR), live 20. 10., Funkhaus Berlin

Julia Reidy: „Beholder“ (A Guide to Saints)

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