berlinmusik: Tasten und Brausen
Jubiläen eben. Im 100. Todesjahr des französischen Komponisten Claude Debussy wäre es schon erstaunlich, wenn dieser runden Angelegenheit nicht mit der Musik des „Impressionisten“ und Vordenkers der Moderne gedacht würde. In Form von Konzerten und Neueinspielungen etwa.
Auch der Berliner Pianist Alexander Melnikov beteiligt sich an den Festlichkeiten. Sein Beitrag ist eine Aufnahme der „Préludes – Livre 2“, die Debussy 1913, spät im Leben, vollendete. Mit dem ersten Buch der „Préludes“ zählen sie zu seinen bekanntesten Klavierwerken.
Da die einzelnen Stücke Titel wie „Brouillards“ (Nebel) oder „Feux d’artifice“ (Feuerwerk) haben, werden sie oft als Programmmusik gehandelt. Debussy hat diese Titel aber nicht wie Spielanweisungen an den Anfang der Stücke gesetzt, sondern an den Schluss – und in Klammern. Eher wie eine Zusammenfassung.
Alexander Melnikov scheint bei seiner Aufnahme selbst weniger an musikalische Geschichten gedacht zu haben als an die verschiedenen Angebote Debussys, spezifische Klänge und Farben auszuloten. Der Pianist, der sich stets Gedanken über die ganz konkrete materielle Produktion der Klaviertöne macht – im Frühjahr präsentierte er mit der Aufnahme „Four Pianos, Four Pieces“ vier Werke aus verschiedenen Epochen auf vier unterschiedlichen historischen Instrumenten –, spielt Debussy auf einem Flügel des französischen Klavierbauers Érard aus dem Jahr 1885, gebaut zu Debussys Lebzeiten.
Melnikov setzt weniger auf einen hallpedalbefeuerten Obertonstrudel, wie es bei Debussy schon mal vorkommen kann, sondern arbeitet die Strukturen und Nuancen mit präzis kontrolliertem Anschlag heraus, spielt allerfeinste Pianissimo-Passagen (und leiser) als allerfeinste Poesie.
Ungewöhnlicher ist die zweite Hälfte der Aufnahme, die Melnikov zusammen mit der Kollegin Olga Pashchenko bestreitet. Ihre vierhändige Darbietung hat zwar einen veritablen Debussy-Hit als Grundlage, „La Mer“, in der Klavierfassung kommt das Orchesterwerk allerdings seltener vor. Auch diese Interpretation überzeugt mit wohltemperierter Farbigkeit, fast wie beim Orchester. Schöner Perspektivwechsel. Tim Caspar Boehme
Claude Debussy: „Préludes du 2e livre“, „La Mer“, Alexander Melnikov (Harmonia Mundi), live 31. 8., Philharmonie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen