berliner szenen: Carls allerbestes Mangoeis
So was habe ich noch nicht gesehen. Alle schlecken Mangoeis vor der Volksbühne. Ich sitze auf dem Gras, neben mir das große Volksbühnen-Rad.
Ich schaue zum Theater und entdecke auf den Treppen ein neon-rosa Plakat „Carl’s Eis kostenlos“. Mist, jetzt ist es schon zu spät für Eis und Theater, denke ich traurig. Und dann geschieht ein Wunder, das man am Theater – besonders in Kombination mit Gratis-Eis und guten Wetter – definitiv wiederholen sollte! Denn es wird angekündigt, dass die Carl-Hegemann-Gedenksause eine halbe Stunde später anfangen wird! Effektiv drängle ich mich in der endlosen Schlange vor und habe in sagenhaften fünf Minuten mein Mangoeis.
Herr Hegemann, es schmeckt grandios, sage ich laut und denke an die Bahnfahrt im Februar, als ich zufällig in seiner Nähe saß. Er hatte etwas Wuselig-Lustiges an sich. Seine Wuschelhaare flogen über dem Laptop hin und her. Neben der Volksbühne hat ein junger Mann mit altmodischem Hut große schwarze Tücher ausgebreitet und ordnet sie wie besessen immer wieder neu. Ein älterer Mann in Glitzeroutfit hält allen seine Hupe unter die Nase, hupt und preist dann seine eigene Straßenzeitung an.
Entschleunigung macht sich breit an diesem wunderbaren Sommerabend. Irgendwann geht es tiefenentspannt rein ins Theater. Wer Pollesch performen kann, performt auch Hegemann angemessen, ist für mich die Quintessenz des Abends. Der absolute Hit: Martin Wuttke und Joachim Meyerhoff als Boris Groys und Carl Hegemann. Es geht in ihrem Dialog um Tod und Leben. Und unsere unwiderrufliche Sterblichkeit. Und darum, dass Groys als junger Mann fast ertrunken wäre und kurz vor seinem Fast-Tod dachte: Jetzt muss ich nie mehr meine Eltern anrufen!
Katja Kollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen