berliner szenen: Löwenwindeln wechseln
Hier riecht es aber streng“, sage ich. „Ich befürchte, das ist nicht der Löwe“, sagt Cedric. „Kacka“, sagt Anouk. Wir sind im Raubtierhaus vom Tierpark. Der Löwe liegt auf einem Felsen und sieht zu uns herüber. Cedric seufzt. „Anouk die Windel zu wechseln, ist eine Katastrophe. Sie kann nicht stillhalten. Es ist, als ob man versucht, ein Stück Seife einzucremen. Sie flutscht einem dauernd weg.“ „Ich kann das machen“, sage ich. „Du?“ „Ich bin Windelwickelweltmeister.“ Cedric lacht. Ich gehe in die Hocke und auf Augenhöhe mit Anouk. „Darf ich deine Windel wechseln?“, frage ich. Anouk streckt mir ihre Zunge raus. „Sie mag keine Windeln“, sagt Cedric. „Am liebsten würde sie ohne rumlaufen, aber so weit ist sie noch nicht.“ Der Löwe erhebt sich. Und macht ein paar Schritte auf uns zu. Und brüllt. Ich zucke zusammen. Anouk brüllt zurück. „Meine Tochter“, sagt Cedric. „Furchtlos bis zum Anschlag.“ Anouk winkt dem Löwen zu und wir verlassen das Raubtierhaus. Draußen sehen wir uns nach einem guten Platz zum Windelwechseln um. „Du musst das nicht machen“, sagt Cedric. „Ich kann das“, sage ich. Bei einer kleinen Baumgruppe bleiben wir stehen. Cedric reicht mir die Wickeltasche. Ich falte die Unterlage auseinander und lege sie auf den Boden. „Kackapo!“, ruft Anouk und legt sich bereitwillig drauf.
„Ungewöhnlich“, sagt Cedric. „Das liegt an meiner Ausstrahlung“, sage ich. „Pfhh“, macht Cedric. Ich öffne die Windel und halte vorsichtshalber die Luft an. Aber die Windel ist leer. „Fehlanzeige“, sage ich. Ich will die Windelflügel wieder schließen, doch Anouk flutscht mit einer Judorolle aus meinen Händen: „Fang mich!“, ruft sie und verschwindet hinter den Bäumen. All das geschieht im Bruchteil einer Sekunde. Ich sehe auf zu Cedric. „Tja“, sagt er. „Sie hat uns ausgetrickst. Es war doch der Löwe.“
Daniel Klaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen