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berliner szenenIm letzten Späti Berlins

In einer Mischung aus Spanisch, Englisch und Deutsch unterhalten sich die drei Punks am Nebentisch, links von uns. Es geht um Mexiko und Deutschland und darum, wo die Polizei am schlimmsten sein sollte. Auf ihrem Tisch: leere Sterniflaschen und ­Chips­packungen, volle Aschen­becher. Ab und zu steht einer auf und kommt zurück mit Bier-Nachschlag, sodass der Tisch nur noch voller wird.

Obwohl es Freitagabend ist, ist die Naunynstraße ruhig – einige Meter davon entfernt, am Rio-Reiser-Platz, ist dagegen viel los, aber das werde ich später erst sehen, wenn ich mich auf den Weg nach Hause mache.

Rechts von uns setzt sich ein Pärchen hin. Sie reden nicht miteinander, sie streicheln sich über die Beine, er ist ernst, sie lacht von Zeit zu Zeit, er seufzt, sie raucht. Auch wir haben uns nicht viel zu sagen, wir reden über das Wetter und den Regen, der sich langsam hören lässt, wie er mit dicken Tropfen über die Markise fällt und die Straße nässt. Wenn es richtig Sommer wäre, würde es nach heißem Beton riechen – ist es aber noch nicht. Vor einigen Jahren hätte ich es romantisch gefunden, mit ihr dort zu sitzen.

Als die Punks gehen, sind auch die Stimmen weg. Meine Begleitung geht als nächstes (ihr ist schlecht), letztendlich verschwindet das Pärchen, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Nach einer Weile kommt die Spätiverkäuferin, um die leeren Flaschen einzusammeln. Sie ist an diesem Abend auch nicht gesprächig, sie guckt mich an, schaut in den Himmel und zuckt mit den Schultern.

Ich bleibe noch eine Weile am Platz und hoffe, dass gleich Leute kommen und das Schweigen brechen werden. Der Regen wird weniger und irgendwann ist alles komplett still, als wäre ich alleine auf der Erde, im letzten Späti Berlins.

Luciana Ferrando

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