berliner szenen: Undercover mit teuren Oliven
Ob die eine Attrappe sind, fragt ein langhaariger blonder Typ, nachdem wir die Kneipe betreten.
„Wie bitte?“, frage ich. Er wiederholt die Frage, zeigt aber diesmal auf meine Krücken. Lächelnd schaut er mir in die Augen und wartet auf meine Antwort. Ich bekomme aber kein Wort über die Lippen, drehe mich von ihm weg und flüchte zu meinen Freundinnen.
Seit ich nach der Knie-OP die Gehhilfe benutze, habe ich einige unangenehme, aber auch viele schöne Erfahrungen gemacht – und komische Fragen gehört. Aber dass ich eine Impostorin sein könnte? Auf die Idee kam bisher niemand.
Ich erzähle meinen Freundinnen davon. „Er wollte mit dir flirten!“, meint die eine. Dann bestellen wir Oliven – sehr lecker, sehr teuer – und sehnen uns in diesem schicken Nichtraucher-Hinterraum nach unseren Bars in Neukölln.
Dass wir nicht dort, sondern nahe der U-Bahn Weinmeisterstraße sind, liegt daran, dass wir in der Volksbühne waren.
Das Tanzstück wird momentan groß gefeiert. Auch alle im Publikum scheinen Spaß zu haben. Alle – außer wir vier. Liegt es daran, dass wir, wie die Regisseurin, in Argentinien geboren sind – und ihr Humor uns an TV-Sendungen aus unserer Kindheit erinnert, die wir auch damals nicht lustig fanden?
In der Pause trinken wir Bier im Foyer und geben dem zweiten Teil eine Chance. Nach zehn Minuten schauen wir uns an, nicken – und verlassen den Saal so leise wie möglich. Als wir wieder vor der Theatertür stehen, zünden einige eine Zigarette an, wir machen uns auf Barsuche – und landen dann in der Kneipe mit den Oliven.
Wir reden über das Stück, aber auch über die Kinder meiner Freundinnen, Dates, Partys – und dank des blonden Mannes über Attrappen und das Undercover-Sein.
Luciana Ferrando
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