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berliner szenenWunder­volle Kapseln

Natürlich ist wieder nur eine Kasse geöffnet. Wir stauen uns mit unseren Einkaufswagen bis hinters Konservenregal. Vom Ende der Schlange ruft jemand gequält nach einer weiteren Kasse. Vor mir warten noch vier Parteien am Laufband. Natürlich sucht der vorderste Mann langwierig in den Grüften seiner Tasche nach Kleingeld. Ich überlege, ob das ein Auftrag seiner Therapiegruppe ist: „Heute halte ich es mal aus, dass alle Leute von mir genervt sind!“ Die zwei kleinen Mädchen hinter ihm zappeln ungeduldig rum. Sie wollen gar nichts kaufen, sie wollen nur fünf Euro in Münzen gewechselt haben. Dafür stehen sie seit zehn Minuten an. Der junge Kassierer ist recht freundlich im Vergleich zu manchen seiner Kollegen („Wir wechseln hier nicht!“) und gibt das gewünschte Hartgeld raus. Die Frau hinter mir schiebt mich weiter, damit sie ihre Bananen, Wurstwaren und Essiggurken schon mal auf dem Laufband stapeln kann. Sie rückt meine Lebensmittel ein Stück vor, damit sie genug Platz hat. Ich bin gefangen. Die Kasse nebenan wird geöffnet. Wildes Schieben und Rennen beginnt. Meine „Hintermännin“ rafft flugs ihre Beute zusammen und eilt rüber, nicht ohne mir zum Abschied noch mal nett mit ihrem Einkaufswagen in die Hacken zu fahren.

Draußen stehen die beiden kleinen Mädchen an einem Automaten, in dem für zwei Euro wundervolle Überraschungskapseln warten. Sie sind etwas enttäuscht, weil sich in ihrer Kapsel nicht die gewünschte Wunderware anfindet. Da fragt die rempelnde Frau aus dem Supermarkt die beiden: „Was kostet denn der Mist?“ Und gibt ihnen zwei Münzen. Die Mädchen sind entzückt. Die Frau knurrt: „Man soll ja von Fremden kein Geld annehmen. Aber als ich klein war, war ich auch immer ganz wild auf diese Kaugummiautomaten!“

Gabriele Frydrych

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