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berliner szenenWenn mal wieder die BVG streikt

Immer wenn wir uns treffen möchten, streikt die BVG“, sagt die Schriftstellerin lachend, als wir endlich bei ihr sind. Es stimmt – doch an diesem eiskalten Montag schafften wir es trotz aller Hindernisse.

Ich kam mit der S-Bahn aus Neukölln, die Fotografin mit dem Auto. Als ich noch nach der Hausnummer suchte, erkannte ich sie an ihrer Kamera und ihrem ebenso suchenden Blick.

Zu Fuß erreichte ich die Hermannstraße, um dort die Ringbahn zu nehmen. Es sind nur zwei Stationen von meinem Zuhause, aber mit operiertem Knie und Krücken dauerte der Weg doppelt so lange und war anstrengend. Meine Hände schliefen ein und ich musste Pausen machen, um sie zu schütteln und wach zu halten.

Da ich extra früh losging, konnte ich vom Bundesplatz zum Treffpunkt in Ruhe laufen. Während ich den sonnigen Südwestkorso entlang humpelte, sah ich den Fahrradweg, den ich sonst bis zum Wannsee oder Potsdam nehme. Plötzlich stach mir die Sehnsucht nach Sommer und nach meinem beweglichen Ich. Außerdem erinnerte ich mich:

Hier wohnte eine Schülerin von mir, als ich vor 15 Jahren Spanisch unterrichtete. Sie war eine elegante Frau mit einer gemütlichen Altbauwohnung, die noch nicht perfekt Deutsch konnte, aber trotzdem Spanisch lernen wollte

Ich erzählte das der Schriftstellerin, denn unser Interview drehte sich viel um Sprachen. Wenn sie eine Antwort suchte, schaute sie nach draußen. Der Baum vor uns war kahl, doch als sie sagte, ihr Name bedeute „Tochter der Blätter“, stellte ich ihn mir voller Blätter vor, die im Sonnenlicht schimmern, wenn eine leichte Brise sie bewegt.

Wenn es eine parallele Zeit gäbe, wäre vielleicht auch ich in dem Moment mit dem Rad oder mit Lehrbüchern unter dem Arm aus dem Fenster zu sehen.

Luciana Ferrando

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