berliner szenen: Jedes Mal ein Glückskeks
Im Spätsommer war die Kulisse unseres Treffens ein blühender Balkon. Jetzt sitzen wir am Kachelofen, der eine sanfte Wärme ausstrahlt – wie die eines schlafenden Tieres. Meine Freundinnen, die seit meinem Fahrradunfall im August zu meinen Krankenschwestern geworden sind, lachen über den Vergleich.
Seit meiner Knieoperation Anfang Januar sind sie wieder da. Jeden Abend kommen sie vorbei, um mir das Antithrombosemedikament zu spritzen. Anders als damals auf dem Balkon ist es jetzt dunkel, wenn sie auftauchen. Wir essen Suppen und Eintöpfe und planen, was wir unternehmen werden, wenn ich wieder beweglich bin.
Seit Tagen komme ich kaum raus, aber sie trösten mich: „Du verpasst nichts, draußen ist es grau und hässlich.“ Manche Freundinnen sind inzwischen geübt im Spritzen, andere versuchen es zum ersten Mal. „Es ist doch nicht schwer“, sagen sie, wenn sie den Piks hinter sich haben, und ich stimme zu. Doch ich traue mich noch nicht, es selbst zu tun. Außerdem ist es ein guter Grund, uns regelmäßig zu sehen.
Fulful, der Kater meiner Freundin, nimmt an den Runden teil. Er schnurrt auf seinem Stuhl und bettelt um Leckereien.
Wenn meine Freundin da ist, übernimmt sie die Rolle der „Oberschwester“ und ist ein wenig stolz darauf – ich sehe es an ihrem geröteten Gesicht und dem Glanz in ihren Augen.
Wenn sie da ist, wirkt der Kater zufrieden, auch wenn er weniger verwöhnt wird – vielleicht, weil wir auf einmal alle wieder zusammen sind.
Am Ende dieser Abende öffnet jede von uns einen Glückskeks, das ist zu einem Ritual geworden. Die Sprüche sind immer positiv. Mit den Zettelchen in der Tasche verabschieden sich die Krankenschwestern bis zum nächsten Tag, und sie sind mir nicht böse, dass ich sie nicht bis zur Tür bringe.
Luciana Ferrando
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