berliner szenen: Wo geht es raus, wie weiter?
Wir suchen den Ausgang, zwei ältere Damen, ihr Hund und ich. Sie schauen mich hilfesuchend an, die Damen, aber ich kenne den Weg auch nicht. Alle Türen, die in Frage kommen, sind verschlossen. Die Beschilderung ist ungenau, die Pfeile weisen nicht in eine eindeutige Richtung, vielleicht weil das Parkhaus eine erratische Form hat. Außerdem gibt es Bauarbeiten, einige Wege sind versperrt mit rot-weißen Absperrgittern. Es ist zum Verrücktwerden, sagt die Dame mit dem Hündchen. Ich stimme zu, ich denke, wir laufen durch das Gehirn eines Irren. Die Abgase beeinträchtigen den Orientierungssinn und das Denkvermögen.
Plötzlich tauchen zwei Bauarbeiter auf. Der eine pfeift einen Strauß-Walzer. Die Unbeschwertheit wirkt surreal. Bitte, wo geht es hier raus, ruft die andere Dame. Na da, durch die Absperrung, kommt die Antwort. Hätten wir auch drauf kommen können.
Ums Eck im Weinhaus Huth ist eine Kaffeerrösterei, mit Dependancen in Dubai und Seoul. Wasser in Miniaturflaschen. Der Kaffee ist in Ordnung. Wir sprechen über A.s Konferenz und warum keiner mehr Thomas Mann liest. In Japan, wo A. herkommt, zieht man Jelinek vor. Sie forscht über slawische Literatur, gerade liest sie Gedichte von Szymborska.
Vor einigen Monaten starb ihre Mutter sehr plötzlich. Seitdem reist sie mit Stipendien um die Welt. Meine Art zu trauern, sagt sie. Sie sagt, Japan ist ein starkes Land, auch wenn der Druck von allen Seiten zunimmt. Was Taiwan angeht, glaubt sie nicht, dass China es wagen wird. Zu wichtig die Handelsbeziehungen zu den USA und Europa. Zurück in der Tiefgarage finde ich den Weg auf Anhieb. Am Scheibenwischer klemmt ein handgeschriebener Zettel: Wollen Sie Ihr Automobil verkaufen? Und eine Telefonnummer.
Sascha Josuweit
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