berliner szenen: Lustige Lügen von der BVG
Am späten Samstagabend wollen wir mit der U-Bahn nach Hause zum Schlesischen Tor. Bereits ab Wittenbergplatz wird auf dem Display am Bahnsteig sowie per Durchsage gewarnt: „Wegen eines Notarzteinsatzes endet die Fahrt am Halleschen Tor. Ein Ersatzverkehr mit Taxis ist eingerichtet.“
Jahaha. Ersatzverkehr. Mit Taxis. Obwohl ich es natürlich nicht glauben kann, verstehe ich nicht gleich, dass das schlicht ein dummer Witz ist. Denn warum sollte der Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs seine zahlenden Kunden verarschen, die doch bloß nach Hause ins Bett wollen. Das können die doch nicht machen, das wäre schon extrem unanständig.
Doch es ist tatsächlich wahr. Man hat es nicht geschafft, in der Eile einen Ersatzverkehr mit Bussen bereitzustellen, und anstelle zu sagen, „sorry, Leute, seht selbst zu, wo ihr bleibt“, tischt man uns diese lustige Lüge auf, und entlässt uns damit am Halleschen Tor in die Nacht. Tschüssikowski, Wirsing, bis Baldrian – aber dennoch hat sich Bolle …
Denn natürlich gibt es kein Taxi, nirgends. Das wäre auch gar nicht möglich angesichts mehrerer voller U-Bahnzüge in der Nacht auf Sonntag. Reingefallen, kicher. Die in die Kreuzberger Wildnis geworfenen Passagiere stehen am Straßenrand und diskutieren. Ab und zu kommt ein ganz normales Taxi vorbei; von einem Ersatzverkehr weiß keiner was.
Schließlich schaffen wir es, uns ein Taxi mit einer Gleichaltrigen und einem Partygirl mit Kopfhörern zu teilen, das faktisch nicht mit uns spricht. Am Schlesischen Tor gibt uns die Erwachsene anteilig fünf Euro. Das Partygirl gibt uns nichts, sagt auch nichts, weder „danke“ noch „tschüss“, und latscht mit ihren Kopfhörern, ohne sich noch einmal umzudrehen, in die Nacht hinaus. Aber wahrscheinlich sind wir ja auch wirklich einfach nur Arschlöcher.
Uli Hannemann
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