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berliner szenenGalerie der Groß­regisseure

Frank Castorf wird hinter die Bühne getragen und taucht nicht mehr auf. Schade. Ich hätte so gerne ein Foto von ihm gemacht. Im Heimathafen Neukölln war er noch nie auf der Bühne, so weit ich weiß. Und jetzt das: Da steht er also an der Wand und dann trägt man ihn weg. Ein Skandal wird das keiner. Denn die meisten im Publikum scheint das gar nicht zu interessieren. Mich aber schon. Denn, wie schon gesagt, ich hätte ihn gerne fotografiert. Dann fotografiere ich eben Armin Petras, denke ich mir. Ich gehe ganz nah an ihn ran und schaue ihm in die Augen.

Das Theaterspektakel ist vorbei und ich gehe zur unvollständigen Ahnengalerie der deutschen Großregisseure. Armin Petras gemaltes Porträt ist lustig. Das von Frank Castorf auch. Auf einmal sind sie aufgetaucht in der neuen Theatersause von glanz&krawall, während sie einen fiktiven Stadttheater-Regisseur verzweifeln lassen. Erschrocken wie schon lange nicht mehr bin ich, als auf einmal neben mir die Inkarnation eines aalglatten CDU- bzw. FDPlers auftaucht. Geschniegelter Anzug, gegelte Haare und eine Horroraura. Will der in die Vorstellung oder ist der Teil des Theaters? Das ist für einen spannenden Augenblick die große Frage. Auflösung: Genialer Schauspieler spielt CDUler auf fiktivem Neuköllner Stadtteilfest und imitiert das Bürgernähe vortäuschende Poli­tikersprech so gut, dass die Spucke aus dem Hals raus will.

Die Augen wollen weg von diesem Anblick und landen bei den auf Leinwand verewigten Regisseuren. Noch ist Frank Castorf da. Er schaut auf dem Bild irgendwie resigniert-wütend aus. Nächstes Wochenende wäre bei den nächsten Vorstellungen eine Gegenüberstellung möglich: Castorf, der Echte, trifft Castorf, das Porträt. Das wird bestimmt kein leichtes Treffen. Hat man sich doch ganz anders im Kopf, als man rüberkommt. Katja Kollmann

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