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berliner szenenNach dem Kaugummi­schauer

Nach einem langen Tag begrüßt mich meine Wohnung mit Kälte und Unordnung. Ich drehe die Heizung auf, ziehe meine bequemste Jogginghose an und räume das Chaos der gestrigen Nacht auf. Ich öffne’ne Flasche Wein, schenke mir ein. Hole die Kippen aus dem Schrank, doch sie sind alle. Immer, immer gibt es irgendetwas einzukaufen. Ich ziehe mir den erstbesten Mantel über und hetze die Treppe runter, aus der Haustür raus und in den Kiosk hinein. Ich stelle mich hinter einer äußerst attraktiven Frau an, sie trägt Hose, Jacke und Haare lässig, eine Augenbraue ist gepierct und wenn der Hund draußen bellt, ruft sie ihm in sanfter, jedoch kräftiger Stimme zu und ich könnte schmelzen. Dran in der Schlange, geht sie zum schroffen Ladeninhaber, bislang allein an der Kasse. Wie bei jedem Ladenbesuch steht plötzlich der junge Mitarbeiter an der zweiten Kasse.

Er grinst aufgeregt und seine Hand stößt gegen das Kaugummiregal. Er ignoriert den kleinen Kaugummischauer, den er verursacht hat und blickt mich fragend, nervös an. Egal wie dreckig der Mantel, wie geschafft ich aussehe – immer findet er mich gut, immer überfordert ihn meine Gegenwart.

Ich merke, dass sich die heiße Frau auf den Weg macht. Ich drehe mich zu ihr. Die Münzen – es sind viele, und viele aus Kupfer – klimpern auf den Boden. Die Frau dreht sich um und hilft mir beim Aufsammeln. Ich werde knallrot. Sie gibt mir eine Handvoll und während ich mich bedanke, vergisst meine Hand schon wieder, die Münzen festzuhalten, erneut entfleuchen sie auf den Boden. Stotternd schicke ich sie weg und krabble alleine auf dem staubigen Boden herum. Wo ist denn jetzt dieser Welpe, der die Kaugummis hat fliegen lassen? Wieder an der Kasse, finde ich in seinen Augen die Antwort: Seine Faszination für mich ist gestorben. Nina Kashi Street

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