berliner szenen: Sun Ra und die große Polizistin
Ein eiskalter Sonntagmorgen. Draußen Raureif, auf Gehweg und Fahrbahn haben sich kleine Eisschollen gebildet. Im Fond des Pkw geht der Hauch. Die Scheiben sind beschlagen. Heizung auf Rentnerstellung, Lüftung pustet volle Pulle. Hilft nix, meine Finger sind so klamm, dass sie fast am Lenkrad festkleben. Ein Königreich für eine heiße Bouillon. Na ja, mir würde schon ein Herzogtum für den dampfenden Hammel-Eintopf reichen. Den tischte Sun Ra seinen Musikern als „Moon Stew“ auf. Sun Ra kam von weither, vom Planeten Saturn. Den Menschen auf der Erde fehle es an Disziplin, hat er seinen Musikern gesagt, wenn sie zu spät zur Probe kamen.
Ich werde mich jetzt auch verspäten: Eine große Polizistin mit einer großen Kelle versperrt breitbeinig die Weiterfahrt auf der Rummelsburger Landstraße. Bei Weitem die größte Polizistin, die ich je gesehen habe. Sogar ihre Kelle scheint größer als herkömmliche Polizeikellen. Mit ihr winkt sie höflich, aber bestimmt. Ergo muss ich links abbiegen. Statt straight nach Karlshorst geht es jetzt deep into Lichtenberg. Unter Bahngleisen hindurch, kreuz und quer, am Weitling-Kiez vorbei geht die Fahrt. Den Weitling-Kiez kenne ich noch so halbwegs. Aber dann wird es licht. Erst werden die Straßen breiter, dann werden auch die Gebäude höher. Ein verzweigtes Plattenbauviertel tut sich auf. Immerhin, im Erdgeschoss einer Platte befindet sich auch eine Filiale von „Getränke Hoffmann“. Wenn ick nich jefrier, koof ick bei Hoffmann.
OMG, da ist die „Hurensohnstraße“, wendet meine Tochter ein. Ich steige abrupt auf die Bremse, fahre rechts ran und setze zurück: „Huronseestraße“ steht auf dem Straßenschild. Alle Straßen der Umgegend tragen die Namen der großen Seen in Nordamerika. Irgendwann gelangen wir nach Karlshorst. Inzwischen ist mir auch warm. Julian Weber
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