berliner szenen: Vernetzung durch Tausch
Auf dem Weg zum Lietzensee fällt mein Blick in der Rönnestraße auf eine Hauswand, an der durch Schnüre miteinander verbundene Zettel kleben. Auf einem steht: „Du fehlst uns so, liebe Bank. Komm bitte wieder.“
Ich erinnere mich: An der Stelle, an der nun die Zettel hängen, befand sich bis neulich eine kleine Holzbank, auf der die Anwohner*innen Dinge verschenkt beziehungsweise getauscht haben. Die Bank fiel ins Auge: Hier lagen nie Gegenstände, die von ihren Besitzern weggeworfen wurden, sondern ausschließlich noch Funktionsfähiges wie Dosenöffner, altes Geschirr oder ungetragen aussehende Kindergummistiefel. Ich verdanke der Bank gleich mehrere Klassiker in meinem Buchregal, darunter eine liebgewonnene Ausgabe von Mascha Kalékos Gedichten.
Die Anwohner*innen schienen die Bank ebenso zu schätzen. Jemand schreibt: „Gerade musste ich meine Tochter trösten. Mit einer Tüte tapfer aussortierter Spielsachen standen wir hier, wo Du morgens noch warst. Jetzt bist Du weg.“ Und weiter: „Du warst immer ein aufregendes Ziel für Ausflüge und hast zu unserer Straße gehört wie die Nachtigall, die am Abend immer für uns singt.“ Und eine Familie, die als „Flüchtling Familie“ unterzeichnet hat: „Wir brauchten und fanden eine Menge Dinge, um hier zu leben. Vor allem Babysachen. Aber wir haben auch Dinge gebracht, wie ein Paar Stiefel, die wir in der falschen Größe gekauft hatten.“ Jemand, der Handschrift nach zu urteilen eine Frau, meint die Schuldigen in Sachen „Bankraub“ zu kennen: „Die da oben wollen nicht, dass wir hier zusammenkommen. Begegnung verhindert Schlafschafe.“ Allen Zetteln gemein ist der Wunsch, dass die Bank zurückgebracht oder ersetzt wird. Wer weiß? Ich halte es mit Kaléko und glaube an Wunder. Eva-Lena Lörzer
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