berliner szenen: Urst alte Technik von der Post
Montagmorgen, ich muss zur Post. Früher hat mich das immer gestresst wegen der langen Schlangen. Jetzt spüre ich Vorfreude, denn seit der „Systemumstellung“ zu Jahresbeginn passiert immer irgendwas Unvorhergesehenes. Heute ist es ziemlich leer, nur vor dem rechten der beiden „Service“-Automaten steht eine ältere Dame. Ich muss nur eine Rechnung bezahlen, den Überweisungsträger hab ich schon zu Hause ausgefüllt. Für die Jüngeren unter uns: Überweisungsträger sind Formulare, die man nutzte, bevor es Onlinebanking gab. Dieses Papier will ich am linken Automaten scannen, was aber nicht geht, weil da, wo früher mal eine Vorrichtung für Papiereinzug war – tja, sie fehlt jetzt. Ich stelle mich hinter die alte Dame.
Links versucht ein Mann vergeblich, etwas zu erledigen. Missmutig stellt er sich hinter mich. Für ein paar Sekunden bin ich anscheinend unaufmerksam, denn einem weiteren Mann gelingt es offenbar, am linken Automaten etwas zu erledigen. Er hält Papier in der Hand! Der Mann hinter mir wird aktiv. „Hat der da gerade was am Automaten bekommen?“ Er probiert es noch einmal, erfolglos. Die Frau vor mir tippt weiter und murmelt Zahlen vor sich hin. Sie entschuldigt sich bei mir, weil es so lange dauert. „Aber letzte Woche gingen beide Automaten gar nicht.“ Was auch nicht geht, ist der Automat für Bargeldeinzahlungen. Davor ein Schild: „Was ist Ihre Immobilie wert?“ Ich wette, dass diese Frage hier gerade niemanden umtreibt.
Als die Frau vor mir fertig ist, sage ich freundlich: „Wussten Sie, dass man Überweisungsträger auch einscannen kann? Dann geht das viel schneller.“ Sie sagt: „Nee, nicht mit meinen. Die sind urst alt. Da steht sogar mein Mann noch mit drauf.“ Urst alt! Allein für diesen Satz hat sich die Exkursion zur Post heute wieder gelohnt. Gaby Coldewey
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen