berliner szenen: Anmutig, von schöner Gestalt
Einkaufen im Supermarkt mag ich nicht. Auch begreife ich die Ingredienzen dieses Kompositums nicht: Nichts erinnert mich dort an einen Markt, geschweige denn sehe ich etwas, das einen Markt überträfe. In solch einem Riesenladen einkaufen – tu ich aber dennoch. Mit gedimmten Sinnen. Kürzlich war’s anders. Ich stand am Zuckerregal. Ein junger Mann neben mir hielt eine Packung Gelierzucker und fokussierteden rätselhaften Aufdruck „2:1“. Fragte mich vorsichtig: „Tee?“ Ich sagte: „Nein, Zucker.“ Er: „Tee?“ Ah. Ich deutete auf den Kandiszucker nebenan. Die Verpackung zeigte eine Hand, im Begriff, einen Löffel Kandis ins dampfende Teeglas einzurühren. Er nickte, dankte in einem Akzent, der mir nicht geläufig war.
Wenig später, bei den Konserven, sah ich ihn wieder, ein Glas unschlüssig in der Hand wiegend. Ein anmutiger Mensch, dachte ich, und: was für eine schöne Gestalt er hat. „Marmelade?“, fragte er mich. Ich sagte: „Nein, Preiselbeeren.“ Wir liefen zur Konfitüre. „Teuer“, meinte er. Ich zeigte aufs unterste Regal: „Die sind billiger.“ Karge Sätze, fand ich zu Hause. Doch war ich so perplex gewesen, so fasziniert von diesem Menschen, dass ich wohl nicht anders hatte sprechen können. Aus welchem Land mag er kommen? Wo mag er sein am Abend?, sann ich. Eine Zufallsbegegnung im Supermarkt hatte mir den Tag versüßt.
Gestern war ich am Badesee. Spät radelte ich zurück Richtung U-Bahn, Kiefernzapfen-Slalom auf sandigem Weg, vorbei an plaudernden Grüppchen am Ufer. Etwas abgerückt von den anderen sah ich ein Pärchen, von ihrem Picknick umringt. Der junge Mann war’s, mit einer Freundin. Im Vorüberfahren glaubte ich auf der Decke ein Glas Marmelade zu erkennen. Ob Edle Erdbeere oder die Bückware Waldfrucht, konnte ich aus der Ferne leider nicht sehen. Felix Primus
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