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berliner szenenDas reine, pure Vergnügen

Neulich saß ich im Café und schlürfte ein wirklich teures Heißgetränk, als ein dem Anschein nach obdachloser Mann den Raum betrat. Mit einer mir von Kindesbeinen an für solche Situationen eingebläuten Mischung aus Freundlichkeit und distanziertem Desinteresse starrte ich in meinen Milchschaum. Bis besagter Mann sich ein großes Stück sahnigen, saftigen Zitronenkuchen, garniert mit getrockneten Cranberries und Zartbitterstreuseln bestellte und sogleich in drei Happen verschlang. Ich konnte meine Augen nicht von dieser Szene abwenden, die für mich eins verkörperte: absolute, kindliche Glückseligkeit.

Danach strahlte der Mann die Verkäuferin an, ließ sich von ihr erklären, der Schmand sei bio und die Schokolade sowieso. Er sagte, er liebe Zitronenkuchen, das habe er schon immer getan, und er habe sich sehr auf dieses Stück gefreut. Glücklich und satt verabschiedete er sich und stiefelte beschwingt zurück auf den Bürgersteig. Keine einzige Cranberry blieb auf dem Teller zurück, kein Schokoladenstreusel wurde liegen gelassen.

Diese Situation trage ich seitdem in mir und kann sie nicht vergessen. Ich weiß nicht, was mich mehr faszinierte: war es die Tatsache, dass man auch als Mensch ohne Obdach natürlich nicht immer nur Brötchen und dicke Suppe essen möchte, sondern manchmal ein sahniges Stück Biokuchen?

Oder war es das völlige Fehlen von Traurigkeit, als das Stück Kuchen aufgegessen war? Keine Spur von „Hätte ich es nur langsamer gegessen und mehr genossen“ oder „Das werde ich mir erst nächste Woche wieder leisten können“. Nur reines, pures Vergnügen und ein breites Lächeln, das meinen eigenen Hang zu melancholischem Kleben an vergangenem Schönen ein wenig geradegerückt hat.

Marie-Sofia Trautmann

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