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berliner szenenEngel im Himmel über Berlin

Über unseren Köpfen hängen kleine Zettel, wie frisch gewaschene Wäsche. Dank eines mechanischen Seilsystems drehen sie sich immer weiter. Auf den Zetteln stehen eine Nummer, die zu einem der Tische in der Neuköllner Kneipe passt, und eine Nachricht.

Bei der Nachricht geht es darum, mit den an diesem Tisch sitzenden Personen zu flirten. Analog, wie in der Schule damals, als man Zettel durch die Reihen reichen ließ, oder in Kneipen, die Telefone auf den Tischen hatten, über die man sich von Tisch zu Tisch anrufen konnte. Meine Begleitung ist zuerst von der Idee nicht zu begeistern. „Das kann lustig sein“, schreibe ich ihr und sie lässt sich überzeugen. Doch sie schafft es nicht, sich zu entspannen, bis sie entdeckt, dass sie Leute an unserem Nebentisch kennt und mit ihnen zu quatschen beginnt. Erst dann ist sie nett auch zu mir.

Sie erzählt mir lustige und dramatische Geschichten über ihre Ex-Partner*innen und zeigt mir Papierfotos, die sie mit dem Handy fotografierte. Eins davon ist eine Nahaufnahme, sie schaut von unten in die Kamera wie eine Madonna und hat die Hände auf der Brust, die Finger wie die Blätter einer seltsamen Blume ausgebreitet. Auf dem anderen Bild sieht sie wie der Engel in „Himmel über Berlin“ aus, als er an der Siegessäule steht, mit schwarzen Flügeln und umgeben von Felsen. „Die sind wunderschön“, sage ich und sie freut sich über meine Reaktion. Sie war damals 15 und ich finde, dass sie sich kaum verändert hat.

Die Zettel drehen sich noch, werden aber mit der Zeit weniger. Unsere Nach­ba­r*in­nen bekommen viele davon, wir keinen. „Oh, da geht es nur um Lieblingstiere“, erzählen sie, um uns zu trösten. Als wir später Richtung Hermannstraße gehen, reden wir auch darüber und fangen ebenso zu flirten an.

Luciana Ferrando

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