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berliner szenenLanger Abschied vom Team

Es geht unter anderem um die Menopause, um Filmpremieren in Berlin und die Freundeskreise der jugendlichen Kinder meiner Buchhandlungskolleginnen. Wir sitzen in einer Kneipe gegenüber der Kulturbrauerei und unterhalten uns leidenschaftlich. Wir fallen uns immer wieder ins Wort, jede hat viel zu erzählen. Unser Vorsatz, uns diesmal nur über den Laden zu unterhalten, wird nicht eingehalten. Wie bei den letzten Teamsitzungen kommen wir nicht mehr dazu – irgendwann sind wir zu müde oder haben zu viel getrunken. Dass alle drei uns so selten sehen, spielt dabei eine Rolle. Aber vor allem: Es sind unsere letzten Teamsitzungen, denn die Buchhandlung kann ab 2023 nur ohne uns überleben.

Es sind also nach zehn Jahren Zusammenarbeit Abschieds-Teamsitzungen, die niemand von uns gern als solche wahrnehmen möchte. „Was sind deine Pläne?'‘ – „Und du, was machst du?'', fragen wir einander erst beim Rauchen vor der Tür und kommen schnell wieder rein, um die Chefin nicht alleine vor der Käseplatte sitzen zu lassen. Die Kellnerin bringt uns so lange Bier und Wein, bis sie, als alle anderen Gäste längst weg sind, ungeduldig wird und kommuniziert, dass sie gleich Feierabend machen will.

Da ich mich nicht mehr traue, den langen Weg nach Neukölln mit dem Rad in der Kälte zu fahren – es ist nass und glatt – rufen meine Kolleginnen ein Taxi für mich und kümmern sich um mein Rad. Als ich endlich bei mir im Bett liege, sage ich über WhatsApp Bescheid, dass ich gut angekommen bin und erzähle ihnen über den Taxifahrer, der mich über für mich völlig unbekannte Straßen nach Hause führte. Dann schreiben wir, dass es schön war. Wohl wissend, dass es kein nächstes Mal geben wird, versprechen wir uns, das nächste Mal wirklich nur über die Arbeit zu reden.

Luciana Ferrando

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