berliner szenen: So geht das mit dem Orten
Wenn S. in Berlin ist, geht er immer auf das Tempelhofer Feld. Gerne ohne mich. Weil ich nicht immer die Geduld aufbringe, ewig in den Himmel zu gucken – bis der Habicht mal auftaucht. Derart imposante Raubvögel gibt es in seiner großen Stadt nicht. Für ihn das Highlight an Berlin.
Als ich unlängst nach Hause kam, war er in heller Aufregung – nicht wegen des Habichts. Sein Telefon war weg. Vermutlich hat er es liegen lassen, weil er von den Greifvögeln abgelenkt war. Dann lag es nicht mehr auf der Bank. Erst klingelte es, wenn man anrief. Dann nicht mehr. S. weiß nicht, dass man sein Telefon ja auch orten kann. Okay, eine Straße in Neukölln. Schnell hinradeln, es ist halb zehn Uhr abends. Viel später kann man kaum bei Fremden klingeln. Als wir an der angezeigten Adresse ankommen, stehen wir vor einem Neubau, auf dem Klingelschild 30 Namen. Wir arbeiten uns durch. Fast keiner antwortet. Immerhin drei Leuten können wir kurz skizzieren, worum es geht. Keiner weiß was. Ein paar Minuten später versuchen wir, ins Haus zu gelangen, um einen Zettel aufzuhängen. Da kommt ein Mann runter. Er habe gerade gekocht, deshalb nicht geschaltet. Dann sei ihm eingefallen, dass die Frau von nebenan vorhin geklingelt hatte. Um sich zeigen zu lassen, wie man beim iPhone die SIM-Karte wechselt. Wir klingeln bei ihr, sie macht nicht auf. Der Mann verspricht, sich zu kümmern.
Auf der Fahrt zurück höre ich mein Telefon nicht. Als wir zu Hause ankommen, hat die Frau schon zwei Nachrichten hinterlassen. Ein bisschen Finderlohn wolle sie schon. Also wieder nach Neukölln. Die Frau entschuldigt sich und erzählt: dass sie erst dachte, heute sei ihr Glückstag. Dass sie aber eigentlich nur probieren wollte, ob es diese Ortungsfunktion, von der sie gehört hatte, auch wirklich gibt.
Stephanie Grimm
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