berliner szenen: Plötzlich war da diese Schwere
Die Hochdruckpumpe vor dem Fahrradladen macht mir Angst. Das Ding zischt immer so ungebremst los. Eines Tages wird mir mein Reifen sicher um die Ohren fliegen, weil ich mir nicht merken kann, welcher Druck richtig und sicher ist. Alternativ wird der Reifen weiter vor sich hin labbern, weil ich zu vorsichtig war. An dieser Stelle hat die Emanzipation versagt.
Besser gleich das Rad zur „Frühjahrsinspektion“ bringen; schließlich fühlt sich das Radfahren auf der alten Schüssel in letzter Zeit an wie Leistungssport. Mag sein, dass die Nachwehen der kürzlich überstandenen Verseuchung daran Schuld tragen, oder einfach das winterliche Dauerlethargieren, aber der 1,5-Kilometer-Weg zum Co-Working-Space fühlt sich gerade an wie der Endkampf des Northman.
Der Fahrradladenmann weiß es mal wieder besser und mustert mich mit der üblichen Fahrradmann-Melange aus Herrschaftswissen und Verachtung. „Haben Sie ein E-Bike?“ „Äh, ja. Aber ich versuche in letzter Zeit wieder mehr mit meinem alten Rad zu fahren.“ Er nickt mit abgeklärtem Blick. „Ist gerade ein Phänomen. Die Leute fahren mit ihrem E-Bike und kommen irgendwann mit ihrem alten Rad zu uns und sagen, es funktioniert nicht richtig.“ „Aber … ich war so lange nicht mehr hier … was ist mit den Bremsen?“„Die sehen aus, als wären Sie in letzter Zeit sehr wenig mit dem Rad gefahren.“ „Und die Kette? Muss man die nicht mal wieder nachziehen?“ Tiefer Seufzer. Dann: „Schauen Sie. Ich pumpe Ihnen das Rad auf und öle die Kette. Dann lassen Sie das E-Bike mal stehen, fahren ein bisschen mit diesem hier, und wenn Sie dann immer noch das Gefühl haben, dass es kaputt ist, kommen Sie wieder her.“
Ein kleines bisschen peinlich ist mir die Sache schon. Aber hey: Er pumpt mein Rad für mich auf.
Ulla Ziemann
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