berliner szenen: Er hatte keine Ahnung
Nachdem sie den Wagen ausgestellt hatte, krümmte sie sich nach unten, denn ihr Telefon war in den Fußraum gerutscht. „Diese Nachricht wurde gelöscht“, stand auf dem Display. Eine dunkle Botschaft am helllichten Tag, die von ihrem Mann war. Der hatte seinen eigenen Wagen, erklärte Lisa beim Spaziergang. Einen nachtblauen zigarrenförmigen Toyota, den sie ziemlich geschmacklos fand, mit dem er aber gern durch die Stadt kreuzte, im Allgemeinen tolerierte sie seine Schrullen, das gehörte zu einer Ehe schließlich dazu. Liebhaberinnen würde sie aber nicht tolerieren, dabei hatte sie selbst einen. Einen Liebhaber. „Hast du Liebhaber?“, hatte er sie kurz vor der Hochzeit gefragt, wie sie lachend erzählte, während wir unter den winternackten Ästen des Grunewalds in Richtung Teufelsee schritten. Eines Nachts, sagte sie, kurz nachdem sie miteinander geschlafen hatten, in dem Moment hatte sie gewusst, dass er keine Ahnung hatte. Er wusste von nichts und würde nie etwas wissen. Die Gegenfrage hatte sie sich gespart, weil sie instinktiv ahnte, dass er eine Liebhaberin hatte oder sogar mehrere, dafür brauchte es keine Psychologie. Nur dass sie die nach und nach ausschalten würde. Herausfinden und ausschalten, sagte sie und lachte diabolisch, während ich anfing, die schmeichelnde Musik aus dem Autoradio zu vermissen. Auf seine Frage hatte sie mit Nein geantwortet, sagte sie. Sie sei ja nicht blöd. Sie selbst hatte alle Zweifel weggelächelt, die Hochzeit stand, das Aufgebot war bestellt, nichts hätte daran noch etwas geändert. Auch nicht, dass er schon am nächsten Abend mit seiner blauen Zigarre unterwegs war, um eine seiner Geliebten auf der Psychologenparty zu treffen, wie ich nur allzu gut wusste, und sie im Schutz eines stehen gebliebenen Kamins abzuknutschen, auf einem Dachgarten im Osten der Stadt. René Hamann
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