berliner szenen: Träume in der Quarantäne
Ich träume davon, dass ich im Sonnenuntergang gegen eine fremde Frau boxe. Wir sind die einzigen Menschen auf dem Tempelhofer Feld, und während wir kämpfen, trage ich ein improvisiertes Gedicht für sie vor. Bei jedem Schlag lasse ich irgendein Wort – oder einen kurzen Satz – fallen, ich lasse mich von ihr inspirieren. Bevor das Sparring endet, werde ich wach und frage mich, warum ich so was träume. Träumt man anders, wenn man am Mittag schläft? Oder mit Corona? Verursacht Omikron andere Träume als Delta?
Ich fühlte mich nur ein bisschen krank, doch als ich die Mail vom Testzentrum aufmachte, war ich schockiert, aber nicht überrascht, das Häkchen diesmal links bei „Positiv“ und nicht wie sonst rechts bei „Negativ“ zu entdecken. Ich erinnerte mich, was ich mal in einer Kneipe hörte: „Sie schicken dir immer die gleiche Datei mit einem anderen Datum“.
Rasch gehe ich aus dem Laden raus, wo ich einkaufen war, und kehre zum Testzentrum zurück, um den PCR-Test zu erledigen. Der junge Mitarbeiter mit den silbern lackierten Fingernägel und der flüchtigen Ähnlichkeit mit David Bowie geht locker mit der Situation um. Ich dagegen würde am liebsten alles desinfizieren, was ich anfassen muss. Doch seine langsamen Bewegungen und seine geschminkten Augen beruhigen mich. „Wir erleben das jeden Tag, das ist Routine“, sagt mir sein Blick.
Auch als ich mich bei meinen Kontakten melde, reagieren die Freunde ruhig. Viele erfahren gerade von anderen positiven Fällen im Freundeskreis, die meisten empfehlen mir, auf das PCR-Ergebnis zu warten.
Als ich es in der Nacht endlich erhalte, ist es zu spät, um die schlechte Nachricht zu verbreiten. Was tun?
Ich gehe wieder schlafen in der Hoffnung, weiter im Traum Wörter zu reimen und Geraden, Hacken, Uppercuts zu schlagen.
Luciana Ferrando
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