berliner szenen: Als wäre ich U-Bahn-Fahrerin
Seit zwei Jahren war ich nicht mehr mit der U-Bahn gefahren, sondern fast nur mit dem Rad, selten mit der S-Bahn. An diesem Abend hatte ich zwar zunächst auch keine Lust auf U-Bahn und entschied mich, vom Prenzlauer Berg nach Neukölln zu Fuß zu gehen. Aber am Rosa-Luxemburg-Platz konnte ich die Tatsache, für den Schnee, der nun doch gefallen war, unvorbereitet zu sein, nicht mehr ignorieren. Zu dünn angezogen und mit falschen Schuhen. Das wird kein Spaß.
Ich lief zur U-Bahn-Station Weinmeisterstraße und nahm doch die U8. Sie kam direkt, also stieg ich schnell und ohne Ticket in den ersten Wagen. Um nicht an Kontrolleur*innen zu denken oder mich wegen Menschen zu ärgern, die ohne Maske fahren, drehte ich mich Richtung Fahrerkabine und entdeckte etwas, das mich mit Freude erfüllte. Wenn ich meine Stirn an das dunkle Glas lehnte, das Fahrerkabine und Wagen trennt, sah ich die Schienen und den Tunnel vor uns, als würde ich selbst den Zug fahren.
Als Kind war ich von U-Bahn-Tunnels so fasziniert, dass ich oft davon träumte. Dabei waren die geträumten Tunnels voller Laufkarren mit Kohle, als wären wir im Bergbau und nicht in der Stadt. Daran erinnerte mich dieser Blick, das Glas war durch meinen Atem beschlagen. Ich putzte es immer wieder mit dem Jackenärmel, schaute mir die grünen und roten Signale an, die wie Planeten in der Dunkelheit leuchteten. Das Highlight kam jedes Mal, wenn wir uns einem Bahnhof näherten: die Lampen, die leuchtenden Anzeigen, der Spiegel am Ende des Gleises, die wartenden Menschen, die größer werden, wenn die Fahrt langsamer wird …
Zu der elektronischen Musik aus meinem Kopfhörer wirkten auch sie wie Figuren eines Traums. Ich war in diesem Trip tief versunken, bis mir jemand auf die Schulter tippte, „Fahrschein, bitte“.
Luciana Ferrando
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