berliner szenen: Keine Butter auf dem Brot
Die Kundin am Blumenstand kann sich noch nicht entscheiden, ich soll ruhig vorgehen. Sie umkreist die verschiedenen Bottiche und Vasen, berührt einzelne Blüten und vergewissert sich, ob das Angebot für die weißen Rosen gilt: ein Strauß für 6 Euro, zwei für 10. Der Verkäufer bestätigt, was auf einem Pappschild steht. Während seine Kollegin Blumen für mich bindet, versucht die zögernde Kundin, zu den ausgewählten weißen noch gelbe Rosen runterzuhandeln. Vergeblich.
Sie gibt nicht auf, reklamiert Mengenrabatt. Jetzt verdüstert sich die Miene des Verkäufers. „Sie gönnen mir nicht die Butter auf dem Brot, meine Dame, und das bei unseren Niedrigpreisen.“ Die Kundin bleibt ungerührt, bekommt schließlich doch einen Euro Rabatt und eine Verwünschung zum Abschied: „Hoffentlich können Sie heute Nacht nicht ruhig schlafen.“ Und zu seiner Kollegin gewendet: „Die Kunden werden immer ekliger.“
Das geht mir zu weit, ich verziehe das Gesicht. Und lerne den galligen Frust der sonst so freundlichen Blumenfrau kennen. Seit Mitternacht sei sie auf den Beinen, um vor drei die Ware zu kaufen und vor acht den Stand zu bestücken. Wenn schon die ersten Kunden am Morgen feilschen, bei absoluter Frischware, wenn das den ganzen Tag so weiter geht, während sie selbst den nächsten Lockdown und Hartz IV fürchten, dann könne einem schon mal der Kragen platzen. Ich äußere Verständnis, bei den niedrigen Temperaturen stelle ich mir ihre Arbeit hart vor. Äußere Kälte mache ihr nichts aus, die sei sie gewöhnt, aber die Kälte mancher Kunden, boah. Aber ob man die gleich beschimpfen muss? „Muss man nicht, aber man muss auch nicht die Wahrheit verschweigen! Wir sind Berliner und keine Zugereisten. Wir haben das Herz auf der Zunge zu liegen. Und das eben war eklig.“
Claudia Ingenhoven
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