berliner szenen: Mit Rad und Maske in der S-Bahn
Es ist spät geworden bei der Arbeit, und eine feuchte Kälte kriecht an mir hoch, als ich mich abends aufs Fahrrad schwinge. Seit Pandemiebeginn fahre ich fast ausschließlich Rad. Aber jetzt, an diesem kalten Novemberabend, habe ich keine Lust mehr auf die 10-km-Strecke. Zumal ich das neue Lastenfahrrad dabeihabe, das ein bisschen weniger wendig ist als mein normales. Am Anhalter Bahnhof schiebe ich das Rad zum Fahrstuhl. Ob das da reinpasst? Zum Tragen ist es zu schwer. Große Erleichterung: Es passt.
Da kommt auch schon die Bahn, sie ist so gut wie leer. Ich schiebe das Rad ins Fahrradabteil und setze mich. Die Frau neben mir telefoniert leise durch ihre Maske. Schräg gegenüber sitzt ein Mann mit schwarzem Mund-Nasen-Schutz. Auch die wenigen anderen Mitfahrenden sind vorschriftsgemäß maskiert. Es herrscht angenehme Ruhe im Abteil.
Am Potsdamer Platz steigt ein jüngerer Mann ein. Schicke Klamotten, Kopfhörer über der schicken Frisur. Er sieht sympathisch aus, aber … genau! Das sieht man nur, weil er keine Maske trägt. Ich hab jetzt keine Lust auf so was. Meine Boosterimpfung ist in zwei Wochen. Bis dahin will ich mich nicht noch anstecken. Soll ich was sagen? Oder raus und auf die nächste Bahn …? Da steht der schwarz maskierte Mann auf und geht auf den Maskenlosen zu. Ich halte den Atem an.
Gibt es jetzt Streit und nervende Impfgegner-Diskussionen? Der Schwarzmaskierte berührt den Schicken leicht am Arm. Der schaut hoch. „Entschuldigung, haben Sie gar keine Maske dabei?“, fragt der Schwarze freundlich. „Oh!“, erschrickt der Angesprochene. „Das hab ich total vergessen.“ Und holt sofort eine schicke dunkelgrüne FFP2-Maske aus der Jackentasche und setzt sie auf.
Dann ist es wieder ruhig im Abteil. Nur das leise Telefonat neben mir ist noch zu hören. Gaby Coldewey
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