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berliner szenenMelancholie der leeren Stadt

Es ist nach Mitternacht, als ich von Wedding nach Neukölln zurückkehre. Die Kälte fühlt sich so an, als würde die Klinge eines Messers meine Wangen leicht berühren. Niemand kann sehen, wie rot sie geworden sind, einfach weil niemand da ist. Bin ich der einzige Mensch, der um die Uhrzeit mit dem Rad den Fahrradweg an die Spree entlangzieht?

Falls ja, verpassen die schlafenden Ber­li­ne­r*in­nen etwas, denke ich und atme tief ein. Denn die Luft ist kalt und sauber so wie die Nebelschicht, die über dem Wasser schwebt. Beeinflusst von der Musik in meinen Kopfhörern, sieht die Stadt aus wie in einem Science-Fiktion-Film der 80er Jahre. Oder so wie das, was ich mir hinter dem Begriff Cyberpunk“ vorstelle: viel Neon, Blau und Dunkelheit, monumentale Gebäude, leere, große Straßen. Alles von einer unterschwelligen Melancholie getränkt. Besonders schön finde ich es, am Hauptbahnhof, dem Futurium und dem Regierungsviertel vorbeizufahren. Am Paul Löbe Haus parken identisch aussehende schwarze Autos mit Standlicht. In den leeren Büros ist das Licht meistens weiß, an manchen Fenstern kann man jemanden entdecken, der mit Staubsauger in der Hand zwischen den Schreibtischen herumgeht.

Ab dem Mehringdamm und bis zu mir in Neukölln, kommt mir alles viel gewöhnlicher vor. Diesen Weg fahre ich öfter. Auch bei kaltem Wetter sind mitten in der Nacht Leute zu sehen: Bei Curry36 und Mustafa's Gemüse Kebap stehen sie noch Schlange. In der Bergmannstraße sind Fuß­gän­ge­r*in­nen unterwegs, vor einigen Spätis trinken manche noch ein letztes Bier, andere verabschieden sich hier und da mit einer Umarmung. Als ich fast zu Hause bin, begegnet mir ein Fuchs, der hinter einer Ecke wie ein Blitz verschwindet – da ist die Verzauberung wieder da.

Luciana Ferrando

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