berliner szenen: Der süße Tod der Wespen
Einige spielen Schach, andere gucken sich mit der Hand am Kinn das Spiel an, immer weitere Spieler*innen kommen dazu. „Spielen wir?“, wird hin und wieder mal gefragt. Sonst wird Kaffee oder Bier getrunken, Zeitung gelesen oder gearbeitet unter den Bäumen (die ich immer mit Weinranken verwechsle) des Container-Cafés in der Kindl Brauerei. Mir kommt es befremdlich vor, draußen mit dem Laptop zu sein, als wäre ich bei mir im Wohnzimmer. Aber ich möchte das schöne Wetter nicht verpassen und muss einen Artikel fertigkriegen, deshalb arbeite ich hier – und werde doch oft abgelenkt.
Hochzeitsgäste in schicken Anzügen und Kleidern durchströmen mit Blumensträußen das Gelände und gehen mit großen Schritten (warum laufen Hochzeitsgäste immer so?) Richtung Fabrikgebäude. Eine Gruppe Zehnjähriger setzt sich auf den Boden mit McDonald’s-Tüten. Sie reden leise und gucken sich ständig um, als hätten sie sich das Essen heimlich beschafft. Die Frauen, die bei mir am Biertisch sitzen, planen eine Reise nach Lissabon. Der junge Vater hinter uns versucht sein weinendes Baby zu beruhigen, während er telefoniert. „Nice“, wiederholt er am Apparat. Alle versuchen, die letzten Sonnenstrahlen zu bekommen.
Was wir noch gemeinsam haben? Wir kämpfen gegen die letzten Wespen des Jahres – bis auf die Schachspieler*innen, die sie nicht zu bemerken scheinen. Manche stehen auf und rennen weg, manche klatschen, manche verscheuchen sie mit der Handfläche. Ich beobachte, wie immer mehr Wespen in eine halbleere Limonadenflasche hineinspazieren, verrückt werden, sich gegenseitig nach unten puschen, wenn eine wegfliegen will, und irgendwann sterben. „Was für ein süßer Tod“, denke ich und versuche, mich wieder auf das Schreiben zu konzentrieren.
Luciana Ferrando
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