berliner szenen: Das Auto gehört zu Pankow
Beim Abendessen spielen wir „Wahlplakatvergleich“: Jeder erzählt, welches Plakat er aktuell am skurrilsten findet. „Kinderarmut bekämpfen. Klima schützen“ (Grüne) war lange mein Favorit. Stell ich mir ungefähr so vor: „Was kommt denn gerade so an Themen gut?“ „Na, Klima natürlich. Wir sind doch die Grünen. Aber wenn wir mal neue Leute ansprechen wollen, ist was mit Kindern bestimmt am besten. Mit armen Kindern. Die Reichen wählen uns ja eh.“ Mein Sohn findet ein anderes Grünen-Plakat am krassesten: „Da fährt so ‚n Hipster-Vater mit ‚nem teuren Lastenrad sein Kind rum, und darunter steht was mit Radwegen. Wer hat denn so ‚n Fahrrad? Da gucken arme Leute doch gar nicht erst hin.“
Jetzt habe ich unerwartet noch was Skurrileres gefunden. Bei einer Fahrradtour am nördlichen Stadtrand. Ein Plakat von der CDU mit dem Slogan „Das Auto gehört zu Pankow.“ Erst dachte ich, das sei ein Fake. War es nicht. Während wir gerade live und in Farbe die Folgen der Klimakrise erleben können, weltweit übrigens, findet die CDU Pankow, dass wir unbedingt am Auto festhalten müssen, einfach weil es dazugehört. Wir haben im Bezirk einen ausgezeichneten ÖPNV-Anschluss: S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahnen, Busse – alles da. Ein paar Fahrradspuren mehr könnten es sein. Dann könnten auch die Lastenfahrrad-Väter bequemer ihre Kinder in die Kita bringen. Aber die CDU Pankow hält am Auto fest.
Wenn man in Pankows engen Straßen (rechts und links parken Autos) als Radfahrerin von hinten angehupt wird, weil man Platz wegnimmt, denkt man künftig: „Ach, wieder eins der Autos, die einfach dazugehören.“ Das hat viel mit Toleranz zu tun.
„Das Auto gehört zu Pankow“ wird mein neues Mantra. Wenn mich wieder ein SUV-Fahrer von der Straße hupt. Gaby Coldewey
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