berliner szenen: Mit Schirm und Wurststulle
Es ist Samstag und ich sitze im M11er-Bus, der mich eine Stunde lang durch unbekannte Stadtteile zu Derya fährt. Die S-Bahn läuft nur im Schienenersatzverkehr und mir gefällt die Vorstellung, mich auf eine Fahrt durch Buckow, Marienfelde und Lankwitz zu machen. Seit Corona sieht man ja nicht so mehr viel von der Welt. Ich suche mir den besten Platz weiter hinten im Bus.
Draußen ist die Stadt einheitlich uneinheitlicher. Kleine Einfamilienhäuser mit pittoresken Gärten stehen neben Hochhaussiedlungen. Es ist warm, die Sonne scheint und die Menschen stehen vor den Testzentren oder kommen mit ihren Samstagseinkäufen aus den Supermärkten. Sie tragen kurze Hosen und T-Shirts, Badeschlappen oder Sneakers und vor ihren Bäuchen Kästen mit Cola oder Bier.
An der Gropiusstadt steigen zwei ältere Damen ein. Eine hat rosa Haare, die andere graue Locken. Beide halten sich auf dem Weg zu den Plätzen vor mir an jeder Stange fest. Als der Bus anfährt, fällt die mit den Löckchen fast durch den Gang. Endlich auf den Sitzen, packt die rosa Dame ein Brotpaket in Alufolie aus und fragt gegen das Knistern: „Ernchen, willste ne Salamistulle oder eine mit Leberwurst?“
„Leberwurst“, sagt Ernchen und greift zu. Kurz vor dem Abbeißen fällt ihr auf, dass sie Maske trägt: „Wie machen wir das bloß mit der Maske?“ „Das geht schon.“ Die rosa Frisierte schiebt die Maske hoch, beißt in ihr Brot und zieht die Maske wieder herunter. „Dann kauste heimlich“, sagt sie. Ernchen nickt und tut es ihr gleich. Im Bus breitet sich Wurstgeruch aus.
„Richtig schön heute“, sagt Ernchen mit vollem Mund und guckt aus dem Fenster. Die in Rosa brummelt: „Also ich hab nen Regenschirm mit.“ Ernchen guckt erstaunt. „Ich sag mal, dem Fernsehen und dem Wetter kannste nich mehr trauen.“ Isobel Markus
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