berliner szenen: Klappe undicht, Blut läuft zurück
Ich hole mein Auto aus der Werkstatt ab. Mein Auto ist eigentlich kein Auto, sondern ein Van. Ein G 20 Chevrolet Van, Baujahr 1993, 8 Zylinder, verdunkelte Scheiben. Zwei Meter breit, fünf Meter lang. „Und, war es die Kraftstoffpumpe?“, versuche ich, souverän an das letzte Gespräch mit dem Mechaniker anzuknüpfen. „Ja“, sagt er und stellt mich seinem Chef vor. „Das ist die Frau Doktor.“ – „Was denn für ein Doktor?“ – „Ich bin Ärztin.“ Beide sehen mich erwartungsvoll an. „Das ist so etwas Ähnliches wie Arzt“, füge ich hinzu. „Hab ich dir doch gesagt, für eine Akademikerin ist sie ganz schön witzig.“
„Operieren Sie?“, fragt der Chef. – „Nein, ich bin Internistin.“ – „Was ist das?“ – „Innere Organe. Herzinfarkt, Lungenentzündung.“ – „Sie operieren gar nicht?“ – „Nein, das machen die Chirurgen.“ – „Und was machen Sie?“ – „Medikamente …“ – „Nur Medikamente?“ – „Nein, auch reden.“ – „Auch reden?“ – „Jetzt lass doch die Frau Doktor in Ruhe. Sie macht eben Medikamente und Reden.“ Der jüngere sieht mich bestätigend an. „Ja“, nicke ich erleichtert, „Medikamente und Reden.“
„Dann reden wir jetzt mal über ihren Van. Es war tatsächlich die Kraftstoffpumpe. Seien Sie froh, dass er nur an der Ampel schlappgemacht hat.“ Alle drei blicken wir liebevoll auf den Chevy. Auch ich bin ganz versöhnt. So tapfer war mein Baby.
„Haben Sie alles verstanden?“ – „Ich denke schon. Hört sich an wie ein Herzklappenfehler, Klappe undicht, Blut läuft zurück, Druck steigt, Wasser in den Beinen.“ Beide Mechaniker sehen mich an. „Für einen Internisten verstehen Sie ganz schön viel von Physik.“
„Danke“, sage ich. „Aber machen können Sie nichts, was? Da brauchen Sie dann wieder einen Chirurgen.“ – „Für einen Mechaniker sind Sie ganz schön witzig“, sage ich und bezahle dann sehr viel Geld für die Kraftstoffpumpe. Eva Mirasol
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