berliner szenen: Nicht rechts, nicht links, bloß quer
Nicht alle Coronaleugner sind am vergangenen Samstag durch deutsche Städte gezogen, Seite an Seite mit Rechtsextremisten. Mindestens eine von ihnen treibt sich an diesem Tag im Grunewald herum. Genauer: an einem Stand, der Getränke zum Mitnehmen verkauft. Dort reiht sich die Frau, etwa Mitte fünfzig, mit einer Freundin in einer Warteschlange direkt vor mir ein. Ohne besonderen Anlass beginnt die Frau über die aktuellen Corona-Maßnahmen herzuziehen. „Nur weil die da oben irgendwas von einem Lockdown faseln, darf man sich an diesem schönen sonnigen Tag noch nicht mal auf die Bierbänke setzen.“ Ihre Begleitung nickt – und ich verdrehe die Augen.
Als die beiden an der Reihe sind und zwei Bier bestellen, fängt die Frau an, den Bierzapfer zuzutexten. „Diese ganzen Maßnahmen sorgen doch nur dafür, dass uns unsere Freiheit genommen wird, nicht wahr?“ Der Mann lächelt höflich, sagt aber nichts. Er hört sich geduldig die Tiraden der Frau an, während er einen Plastikbecher nach dem anderen an den Zapfhahn hält. Als die Frau dann die beiden Biere ausgehändigt bekommt, wechselt sie urplötzlich in einen feierlichen Ton über: „Aber wissen Sie was? Es wird bald besser werden. Es gibt nämlich eine neue Partei – die Basis. Sie ist weder rechts noch links, sondern basisdemokratisch!“ Während die Frau weiter euphorisch von der Basis berichtet, mehrere Minuten lang, obwohl die Schlange lang und länger wird, hole ich mein Handy aus der Tasche, um mir selbst ein Bild zu machen. Und als hätte ich es nicht schon geahnt, vermittelt die Website der Basis denselben Eindruck wie „Querdenken“. Dort steht: „Wurde in den letzten Jahrzehnten unser natürliches geistiges Immunsystem gegen Manipulation weitgehend lahmgelegt?“ Ich bestelle endlich auch ein Bier. Eva Müller-Foell
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