berliner szenen: Schatzsuche mit Suchtpotenzial
Das Wundermittel, Berliner Blagen selbst bei Regenwetter vor die Tür zu jagen, lautet: Geocaching. Wir laden uns eine App herunter, schlüpfen in die Gummistiefel und schnappen uns die Schirme. In der ganzen Stadt sind kleine Behälter mit winzig kleinen Notizbüchlein versteckt. Man muss sie nur finden. Das Smartphone hilft uns dabei mit seiner Navi-Funktion. Der Wind peitscht uns Regenschwaden ins Gesicht, dreht die Schirme auf links. Doch das Sauwetter stört keinen, wenn es darum geht, verborgene Schätze in der großen weiten Stadt zu finden.
In den naheliegenden Parks finden wir eine Box in der Astgabelung eines Baumes, eine weitere in einer hohlen Wurzel. Die Hinweise sind kryptisch. Manchmal suchen wir lange. Das Navi schnippt mit seinen Zielangaben hin und her, als wolle es uns an der Nase herumführen. Unsere Hände sind dreckverschmiert vom Krabbeln im Unterholz. Verwundert blicken wir auf die vielen Einträge in den Finder-Büchlein. Wir sind nicht allein! Es ist eine verborgene Welt mit Suchtpotenzial. Wir ziehen weiter nordwestlich, suchen in einer Dornenhecke, und erst der verschwörerische Hinweis eines Passanten („Das Ding ist magnetisch“) bringt uns ans Ziel.
Angefixt spazieren wir weiter, landen an der Neuapostolischen Kirche in Prenzlauer Berg, suchen. „Demütig“ sollten wir sein, heißt es. Gegenüber lassen sich einige Obdachlose Suppe und Kaffee ausschenken. Wie wir auf sie wirken? Sie holen sich, von existenzieller Not getrieben, eine Gratismahlzeit, wir vergeigeln den Tag mit einem eigentlich sinnfreien Spiel. Wir steigen über einen Zaun, weil wir den Schatz unbedingt heben wollen. Die abgerissenen, bärtigen Männer schauen uns ohne großes Interesse an. Das Schicksal straft uns Müßiggänger. Wir finden das Ding nicht.
Markus Völker
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