berliner szenen: Ohne Roots kann ich nicht sein
Ein Freund hatte mir ein altes Keyboard geschenkt. Stolz war ich mit dem verstaubten Teil unterm Arm durch Kreuzberg gegangen. Bewundernde Blicke hatten mich verfolgt. Mit Laptop draußen wäre mir peinlich gewesen; mit dem Keyboard war es super. Fast so wie mit einer neuen Sonnenbrille.
Zu Hause öffnete ich Garageband und verband das Keyboard mit dem Laptop. Ich hatte das Programm seit 2007 auf meinen Computern, es aber nie benutzt. Ich hatte immer gedacht, es wäre zu kompliziert. Es ist aber gar nicht so kompliziert und die ersten Aufnahmen klangen ein bisschen wie Boards of Canada.
Dann war ich mit dem Keyboard zu M. gegangen. Das Gerät passte gut auf seinen Rollstuhl und weckte seine Neugier. Ich hatte befürchtet, es ginge gar nicht, weil er seine Finger nicht mehr richtig bewegen kann, und oft missmutig ist, aber es ging ganz gut. Er drückte Tasten, ich saß am Laptop, addierte Samples und tauschte die Instrumente. Eben hatte er noch auf einem Flügel gespielt, nun war’s ein Synthesizer aus den 1980ern. Ein großer Spaß.
Am folgenden Samstag verabredeten wir uns zu dritt. K. kam mit Gitarre. Ich hatte mir eine Jam-Session vorgestellt, aber leider meinen Bluetooth-Lautsprecher vergessen. Sie wollte ein Lied zur Unterstützung ihres Lieblingsmoderators Wolfgang Döbeling singen, dessen Sendung seit Corona verschwunden ist. Ihr Solisong war ein Cover der Erkennungsmelodie der 70er-Jahre-Comedy-Sendung „Klimbim“: „Roots ist unser Leben, ohne Roots kann ich nicht sein …“ M. sang mit, ich schwieg. Hätte sie „Can the Can“ von Suzie Quatro gesungen, hätte ich mitgemacht. So ging das aber nicht. Am kommenden Samstag könnten wir ja „Ein Joint, ein guter Joint / ist doch das Schönste, was es gibt auf der Welt“ aufnehmen, schlug M. pfiffig vor. Detlef Kuhlbrodt
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