berliner szenen: Die italienische Freundin
Ich bin auf dem Weg zur Markthalle. Eine Frau auf einem anderen Fahrrad hat das gleiche Ziel. Kurz treffen sich unsere Blicke an der Ampel, gleich beim „Logo“. Wir kennen uns. Ich weiß aber nicht genau, woher. Dann wird es grün. Sie fährt auf der Straße, ich fahre auf dem Fußweg, am Sportplatz des FC Südring vorbei. An die Gaben, die im April am Zaun hingen, erinnern nur noch Bindfäden.
In der Markthalle kaufe ich Brot. Als ich wieder rauskomme, steht sie vor der Markthalle mit Gitarre und Verstärker und singt Lieder auf Italienisch. Ich bleibe eine Weile stehen, höre ihr zu, rauche, beobachte Menschen und überlege weiter, woher wir uns kennen.
Vielleicht von G. Sie hatte mich in dem Sommer vor fünf Jahren mit einer italienischen Freundin besucht, als ich auf die Wohnung von T., der Künstlerin, aufgepasst hatte. In der großen Wohnung waren Kunstwerke und Plakate aus der Zeit, in der sie in Neapel ein Stipendium gehabt hatte. E. hatte die Plakate kritisch angeschaut und irgendwann von ihrem Onkel erzählt, der einen riesigen Marihuanabaum vor seinem Haus gehabt hatte. Seitdem firmierte E. in meiner Erinnerung jedenfalls unter „italienische Kifferfreundin“. Wobei es ja eigentlich G.’s italienische Kifferfreundin war. Die Straßenmusikerin spielt zum Abschluss „Bella Ciao“, ich gehe zu ihr hin, lege ein paar Cents in den Gitarrenkasten und frage, ob wir uns vielleicht von G. kennen. Sie nickt und ich muss weiter. Als ich G. ein paar Tage später die Geschichte erzähle, kann sie mir auch nicht weiter helfen. Dass ihre italienische Freundin Gitarre spielen würde, wäre ihr aber neu.
Manchmal, wenn ich Feiergeräusche vom Blücherplatz höre, denke ich, E. wäre auch dabei. Einmal, als es schon dunkel ist, bin ich auch über den Platz gelaufen. In Grüppchen saßen die Leute herum. Ich konnte nicht viel erkennen. Detlef Kuhlbrodt
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