berliner szenen: Blockade an der Supermarktkasse
Kaum habe ich im Supermarkt alle meine Sachen aufs Band gelegt, entsteht vorn an der Kasse eine Blockade. Eine Frau hat eine Preisauszeichnung missverstanden und will sich mit der Erklärung der Kassiererin nicht zufrieden geben. Während die beiden intensiv diskutieren, werden nebenan die Leute ruckzuck abgefertigt. Mein Glückstag. Und jetzt dreht sich auch noch der Mann vor mir nach hinten um. „Entschuldigung, können Sie mir helfen?“, fragt er, kommt und hält mir zwei flache Dosen sehr dicht unter die Nase. Natürlich tragen wir beide eine Maske. Das ist zwar, finde ich, noch kein Grund, einer fremden Person so nahe zu kommen, aber die Höflichkeit siegt wie meist, und ich sage nichts.
„Wissen Sie, was günstiger ist?“, fragt der Mann. In der einen Hand hält er eine Dose Fisch in Tomatensauce, die 180 Gramm wiegt und 89 Cent kostet, in der anderen eine 325-Gramm-Dose Fisch in Tomatensauce für 1,60 Euro. „Keine Ahnung“, sage ich. „Aber wichtig ist ja, wie viel Fisch drin ist, und nicht, wie viel die Dose wiegt.“ Erst versteht er das nicht, findet dann die Angaben für die Fischeinwaage und will aufgrund der neuen Daten wieder, dass ich eine Entscheidung für ihn treffe. „Nehmen Sie einfach die kleinere Dose!“, sage ich. „So viel Dosenfisch will man sowieso nicht auf einmal essen.“
Er wirkt unzufrieden, ist aber dran mit Bezahlen. Er hält seine Dosen der Kassierin unter die Nase, die eben schon so viel Geduld mit der anderen Kundin hatte. Wieder entspinnt sich eine Diskussion, während an der Nebenkasse die Leute durchrauschen. Allmählich reicht es mir. „Entschuldigung!“, melde ich mich zu Wort. „Eigentlich würde ich auch ganz gern mal bezahlen.“ Der Mann wirft mir einen bösen Blick zu. Dann kauft er beide Fischdosen. Zur Kassiererin sagt er: „Bleiben Sie gesund!“ Katharina Granzin
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