berliner szenen: Leute, die was für ihre Lunge tun
Wieder einmal wache ich von diesem merkwürdigen Geräusch auf. Ein gleichmäßiges Tack – tack – tack – tack, nicht laut, aber penetrant, ist von draußen zu hören. Still liege ich da und zähle mit. Bei 43 ist Schluss, endlich. Nach einer Pause geht es wieder los. Tack – tack – tack … diesmal nur 36-mal. Ich schiebe den Vorhang zur Seite und gucke, was da los ist.
Auf der anderen Straßenseite haben drei Leute bunte Gymnastikmatten auf dem Boden ausgebreitet. Während der eine Typ anstrengend aussehende Kniebeugen macht, wobei er jedes Mal, wenn er hochkommt, in die Luft springt, steht die Frau neben ihm ausdauernd auf einem Bein, in der Position des dritten Kriegers mit waagerechtem Körper und nach vorne gestreckten Armen. Der dritte Typ hat kurze Hosen an und darunter sehr weiße, dünne Beine, mit denen er in kleinen geübten Hopsern über ein Seil springt.
Ich beschließe, mich darüber zu freuen, dass ich schon wach bin, aber noch keinen Sport machen muss, und gehe mir Kaffee kochen. Als ich mit der Tasse in der Hand zum Fenster zurückkehre, haben die drei Supersportler Gesellschaft bekommen. Ein Stück weiter benutzt ein älterer Mann den Zaun, der die Grünanlage vom Weg trennt, als Trimmgerät und macht darauf halbe Liegestütze in der Luft. Zwischendurch setzt er sich zum Verschnaufen auf eine Bank. Dann schließt er ein paar nicht sehr tiefe Kniebeugen an, ganz entspannt und ohne Luftsprünge. Ich finde es schön, dass er auf diese Weise den Gehweg als Sportstätte auch für normale Menschen reklamiert. Und denke, dass nicht alles an diesem Lockdown ganz schlecht ist. Immerhin ist das Sportprogramm vor meinem Fenster viel interessanter geworden. Nur mit dem Seilspringen könnten sie morgens ruhig etwas später beginnen. Katharina Granzin
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