berliner szenen: Die Röhre und das Rohr
Klar haben auch Frauen ’ne Prostata!“, sag ich, kann’s kaum glauben, dass er das nicht weiß. Okay, viele wissen das nicht, aber der hier ist Arzt und lernt jeden Tag mehr Ärztliches; ein ganzes Heft hat er schon voll, auf Deutsch. Er muss sich auskennen mit allem, was ein Arzt so wissen muss, um seinen Abschluss in Deutschland anerkannt zu kriegen. Und dann weiß er nicht, dass Frauen ’ne Prostata haben? Krass! „Prostata!“, sag ich also noch mal. „Gib mal dein Heft, ich mal’s dir auf.“
„Nee. Ich mal dir auf, warum das nicht geht.“
„Na dann los. Bin gespannt.“ Ich lehn mich zurück, seh zu, wie er den Vaginalkanal zeichnet, die Harnröhre nebendran, und sonst nichts. Ich schüttele den Kopf. „Jetzt gib schon den Stift!“ Er gibt mir den Stift. „Da und da und da. Ist verschieden, wo das Gewebe so ist, aber da ist es auf jeden.“
„‚Fall‘“, ergänzt er. „Auf jeden Fall.“
„‚Auf jeden geht auch. Umgangssprachlich, Bedeutung dieselbe; jetzt lenk nicht ab!“ Und schon mal ich weiter, das Harnröhrenschwellgewebe, erklär nebenbei den Unterschied zwischen Röhre und Rohr, dann auch gleich noch die und der Leiter, die Leiter zum Draufstehen, der Leiter leitendes Element, Ei raus aus Eierstock zum Beispiel; am Ende werf ich noch etwas Vulva-Vokabular ins Gespräch, aber am Ende glaubt er mir immer noch nicht. „Prostata. Nee!“
„Doch!“, sag ich. „Und auf der ersten Silbe betont. Wie ‚Prost‘ und dann noch was hinten dran: ‚ata‘. Apropos ‚Prost‘: Dass Frauen ejakulieren, weißt du aber schon?“
„Das ist Urin“, sagt er.
Ich seufze. Und seh schon: Er muss noch viel lernen für seine Approbation. Überhaupt Ärzte, hab ich gehört, am besten vielleicht von so Leuten wie mir, mit Prost- und -ata und Ejakulation, weiblich. Lernen, und dann: Prost, Prostata, Prost!
Joey Juschka
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen