berliner szenen: Willst du es wirklich wissen?
Anstatt schlafen zu gehen, suche ich Trost in meiner Stammkneipe. Alles ging an diesem Abend schief. Vor allem verpasste ich die Leute, die ich sehen wollte, als wären wir in eine Zeit ohne Handys zurückgeschickt worden und hätten außerdem keine Ahnung, wie man sich an eine Verabredung hält. Es war meine Entscheidung, keine WhatsApp-Nachricht zu schreiben. Keine „Ich komme jetzt“ – „Ich bin fast da“ – „Ich bin da“ zu schicken, sondern unserer Abmachung zu vertrauen. Als ich etwas zu spät ankomme, ist niemand mehr da. „Wo seid ihr?“, tippte ich dann doch und erhalte keine Antwort.
In meiner Kneipe fragt mich der Barmann, wie es mir geht, und am liebsten würde ich mit einer Redewendung aus Argentinien antworten: „Bien. O te cuento?“. Das heißt übersetzt so was wie: „Gut. Oder willst du es wirklich wissen?“ Aber bisher verstand sie niemand, also nehme ich die einfachste Variante. „Gut: Und dir?“
Ich schaue mich um und betrachte die Stammgäste, die ich sonst als selbstverständlichen Bestandteil des Lokals wahrnehme, mit anderen Augen. Sie wollen bestimmt auch nicht allein zu Hause sitzen, lieber Live-Stimmen als Radio, lieber mit anderen um sich herum saufen, reden muss man nicht unbedingt. Ich kann sie heute besser verstehen, ohne viel getrunken zu haben.
Ich sitze an der Theke und fange langsam an, mich nach meinem Bett und vor allem nach meinem Buch zu sehnen, auch wenn ich sehr fit bin. „Warum kannst du nicht nach Hause gehen, wie alle anderen auch?“, frage ich mich seufzend und bestelle noch ein Bier. Es passiert in dieser Nacht weiter nichts. Es ist drei Uhr, als ich aufbreche. Es liegt ein Geruch von Brauerei in der Luft. Nachts riecht die Boddinstraße oft nach geröstetem Malz. Ich atme tief ein und fühle mich besser. Luciana Ferrando
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